Der Janusmann
meinte er.
Paulie wartete am Tor auf uns. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Er war ein Problem, das ich bald würde lösen müssen. Er funkelte mich zornig an und behielt mich die ganze Zeit im Auge, während er das Tor öffnete. Ich ignorierte ihn und fuhr hindurch. Aus den Augen, aus dem Sinn - daran wollte ich mich halten, was Paulie betraf.
Die Küstenstraße nach Westen war völlig leer. Den Highway erreichten wir schon nach zwölf Minuten. Ich gewöhnte mich allmählich an das Fahrverhalten des Cadillacs. Ein guter Wagen. Stark und leise. Schluckte aber ziemlich viel Benzin. Die Nadel der Tankanzeige stand gefährlich weit unten. Meiner Erinnerung nach lag die erste Tankstelle südlich von Kennebunk. Woich mich auf meiner Fahrt nach New London mit Duffy und Eliot getroffen hatte. Wir erreichten sie eine Viertelstunde später. Sie erschien mir sehr vertraut. Ich fuhr an den Parkplätzen vorbei, auf denen wir den Lastwagen aufgebrochen hatten, und rollte zu den Zapfsäulen weiter. Beck saß schweigend neben mir. Ich stieg aus und tankte. Das dauerte einige Zeit. Achtzig Liter. Als ich fertig war, fuhr Beck sein Fenster herunter und drückte mir ein Bündel Geldscheine in die Hand.
»Benzin immer mit Cash bezahlen«, belehrte er mich. »Das ist sicherer.«
Die knapp fünfzehn Dollar Wechselgeld behielt ich. Dazu fühlte ich mich berechtigt. Schließlich hatte ich noch keinen Lohn erhalten. Ich fuhr wieder auf die I-95 und richtete mich auf eine lange Fahrt ein. Ich war müde, und nichts ist bei Müdigkeit schlimmer als eine eintönige Autobahn. Beck gab sich schweigsam. Anfangs dachte ich, er sei nur mürrisch oder gehemmt. Dann erkannte ich, dass er nervös war. Ich konnte mir vorstellen, dass ihm bei dem Gedanken, auf Konfrontation zu gehen, nicht recht wohl war. Mir schon. Vor allem, weil ich wusste, dass wir keine Gegner antreffen würden.
»Hatten Sie jemals mit Kleindealern zu tun?«, fragte er.
»Nein«, antwortete ich.
»Sie haben etwas Einzigartiges an sich«, meinte er.
Danach sagte er zwanzig Meilen lang kein Wort mehr.
»Sie lassen sich völlig von Moden beherrschen«, begann er wieder.
»Wirklich?«, fragte ich, als interessiere mich das.
»Natürlich sind Designerdrogen Modeartikel«, fuhr er fort. »Tatsächlich sind ihre Kunden ebenso schlimm wie sie. Ich weiß nicht mal genau, welches Zeug sie verkaufen. Jede Woche kommt etwas mit irgendeinem verrückten neuen Namen heraus.«
»Was ist eine Designerdroge?«, erkundigte ich mich.
»Eine im Labor hergestellte Droge«, erklärte er. »Sie wissen schon, etwas Künstliches, Chemisches. Nicht mit dem zu vergleichen, was auf natürliche Weise heranwächst.«
»Wie Marihuana.«
»Oder Heroin«, sagte er. »Oder Kokain. Das sind Naturprodukte. Organisch. Sie werden natürlich bearbeitet, aber sie kommen nicht aus dem Reagenzglas.«
Ich schwieg, kämpfte damit, meine Augen offen zu halten. Im Auto war es viel zu warm. Wer müde ist, braucht frische Luft. Ich biss mir auf die Unterlippe, um mich wach zu halten.
»Diese Modemasche wirkt sich auf alles aus, was sie tun«, sagte er. »Auf alle Lebensbereiche. Zum Beispiel auf ihre Schuhe. Immer wenn ich diese Typen, die wir heute Abend finden wollen, gesehen habe, hatten sie andere Schuhe an.«
»Was für welche, Sportschuhe?«
»Klar, als ob sie Basketballprofis wären. Das eine Mal haben sie Reeboks für zweihundert Dollar an, fabrikneu aus der Schachtel. Sehe ich sie das nächste Mal, sind Reeboks völlig out, dafür sind Nikes oder sonst was angesagt. Air-dieses, Airjenes. Oder plötzlich müssen Stiefel von Caterpillar her oder Timberlands. Leder, dann Gore-Tex, danach wieder Leder. Erst schwarzes, dann gelbes Leder wie bei Arbeitsstiefeln. Immer mit offenen Schnürsenkeln. Dann sind wieder Laufschuhe in – diesmal von Adidas, die mit den drei Streifen. Zwei- bis dreihundert Dollar das Paar. Ohne erkennbaren Grund. Das ist doch verrückt!«
Ich sagte nichts. Fuhr mit krampfhaft aufgerissenen Augen weiter.
»Soll ich Ihnen sagen, woher das kommt?«, fragte er. »Vom vielen Geld. Sie haben so viel davon, dass sie nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Nehmen wir zum Beispiel ihre Jacken. Haben Sie die Jacken gesehen, die solche Leute tragen? Diese Woche müssen es Daunenjacken von North Face sein – dick und glänzend, voller Gänsedaunen. Ob’s Sommer oder Winter ist, spielt keine Rolle, weil diese Kerle sowieso nur nachts unterwegs sind. Eine Woche später ist glänzendes
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