Der Janusmann
mich zu überfahren.«
»Warnschüsse.«
»Warum?«
»Duke ist nicht mehr da.«
Er nickte. »Das hab ich gehört.«
»Also bin ich jetzt zuständig«, sagte ich. »Dir gehört das Tor, mir das Haus.«
Er nickte wieder. Sagte nichts.
»Ich kümmere mich jetzt um die Becks«, fuhr ich fort. »Ich bin für ihre Sicherheit verantwortlich. Mr. Beck vertraut mir. Und das so sehr, dass er mir eine Pistole gegeben hat.«
Ich starrte ihn unverwandt an. Dies war der Moment, in dem das Methedrin und die Steroide hätten bewirken müssen, dass er wie ein Idiot grinsend sagte: Aber mit dem Vertrauen ist Schluss, wenn ich ihm zeige, was ich am Fuß der Mauer gefunden habe, stimmt’s? Wenn ich ihm erzähle, dass du schon eine Waffe hattest. Er würde mit den Füßen scharren, grinsen und in einem merkwürdigen Singsang sprechen. Aber das tat er nicht. Er reagierte überhaupt nicht, außer dass sein Bild leicht verschwommen wurde, als hätte er Schwierigkeiten, die Bedeutung des Gesagten zu erfassen.
»Kapiert?«, fragte ich.
»Bisher war’s Duke, jetzt bist du’s«, meinte er ausdruckslos.
Nein, er hatte mein Waffenversteck nicht gefunden.
»Ich kümmere mich um ihr Wohlergehen«, belehrte ich ihn. »Auch um das von Mrs. Beck. Mit den Spielchen ist jetzt Schluss, verstanden?«
Er schwieg. Ich bekam allmählich Genickstarre, weil ich zu ihm aufsehen musste.
»Verstanden?«, wiederholte ich.
»Sonst?«
»Sonst bekommst du’s mit mir zu tun.«
»Das würde mir gefallen.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das würde dir nicht gefallen. Ganz und gar nicht. Ich würde dich Stück für Stück zerlegen.«
»Glaubst du?«
»Hast du jemals einen MP angegriffen?«, fragte ich. »Als du noch beim Militär warst?«
Er gab keine Antwort. Sah nur weg und schwieg. Vermutlich erinnerte er sich an seine Festnahme. Bestimmt hatte er Widerstand geleistet und musste überwältigt werden. War deshalb vermutlich eine Treppe hinuntergefallen und hatte beträchtliche Verletzungen erlitten. Wahrscheinlich auf dem Weg zwischen Tatort und Arrestzelle. Ein bedauerlicher Unfall. Solche Dinge passieren eben.
»Und dann würde ich dich rausschmeißen«, sagte ich.
Sein Blick kehrte zu mir zurück, langsam und träge.
»Du kannst mich nicht rausschmeißen«, entgegnete er. »Ich arbeite nicht für dich. Oder für Beck.«
»Für wen arbeitest du also?«
»Für jemanden.«
»Hat dieser Jemand einen Namen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Da läuft nichts«, sagte er.
Ich behielt meine Hände in den Manteltaschen und zwängte mich hinter dem MG vorbei. Ging zur Tür.
»Alles klar?«, erkundigte ich mich.
Er schaute mich an, sagte nichts. Aber er blieb ruhig. Seine Morgendosis musste gut ausbalanciert gewesen sein.
»Mrs. Beck ist off limits, verstanden?«
»Solange du da bist«, antwortete er. »Aber du bist nicht ewig hier.«
Hoffentlich nicht, dachte ich. Eines der Telefone klingelte. Anscheinend die Verbindung nach draußen. Ich bezweifelte, dass Elizabeth oder Richard ihn aus dem Haus angerufen hätten. In der Stille schrillte die Telefonklingel unnatürlich laut. Er nahm den Hörer ab und nannte seinen Namen. Danach hörte er nur zu. Ich vernahm andeutungsweise eine Stimme, die fern und undeutlich aus dem Hörer drang, mit künstlichen Höhen und Resonanztönen, die das gesprochene Wort übertönten. Sie sprach knapp eine Minute lang. Dann war das Gespräch zu Ende. Paulie legte den Hörer auf und machte eine lockere Handbewegung, mit der er das Maschinengewehr leicht zum Schwingen brachte. Ich erkannte, dass das eine bewusste Imitation der Bewegung war, mit der ich an meinem ersten Morgen im Fitnessraum den schweren Sandsack zum Schwingen gebracht hatte. Er grinste mich an.
»Ich beobachte dich«, sagte er. »Ich werde dich ständig beobachten.«
Ich ignorierte ihn, öffnete die Haustür und trat ins Freie. Der Regen prasselte wie aus Feuerwehrschläuchen vom Himmel. Ich marschierte los. Hielt den Atem an und fühlte mich äußerst unwohl, bis ich das vierzig Meter breite Schussfeld vor dem rückwärtigen Fenster durchquert hatte. Erst dann atmete ich wieder auf.
Nicht Beck, nicht Elizabeth, nicht Richard. Nicht Paulie.
Da lief nichts.
Dominique Kohl sagte da läuft nichts an dem Abend, an dem wir unser Bier miteinander tranken. Ich war unerwartet verhindert gewesen und hatte mich am ersten Abend entschuldigen müssen, und dann konnte sie nicht, sodass es ungefähr eine Woche dauerte, bis wir zusammenkamen. Dass ein
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