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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ziemlich gute Musik aus der Jukebox, und ich forderte sie zum Tanzen auf. Aber sie sagte zum zweiten Mal an diesem Abend: Da läuft nichts. Später dachte ich über diesen Ausdruck und seine mannigfaltigen Bedeutungen nach. Was hatte sie wirklich damit gemeint?
     
    Ich war bis auf die Haut nass, als ich ins Haus zurückkam, ging nach oben in Dukes Zimmer, trocknete mich ab und zog frische Sachen aus seinem Kleiderschrank an. Der Raum führte nach vorn hinaus, lag mehr oder weniger zentral. Nach Westen konnte ich die gesamte Zufahrt überblicken und sogar über die Mauer hinwegsehen. In der Ferne war ein schwarzer Lincoln Town Car zu erkennen. Er kam geradewegs aufs Tor zu. Paulie trat im Regenmantel ans Tor und öffnete es so zeitig, dass der Fahrer ohne zu bremsen in raschem Tempo hindurchfahren konnte. Paulie hatte den Wagen erwartet. Der Anruf von vorhin hatte ihn angekündigt.
    Dukes Zimmer war quadratisch und wie die meisten Zimmer dieses Hauses sehr einfach möbliert. Er besaß eine dunkle Wandtäfelung und war mit einem riesigen Orientteppich ausgestattet. Auf einem Tischchen standen ein Fernseher und zwei Telefone. Intern und extern, vermutete ich. Das breite Bett war frisch bezogen, und außer den Sachen im Kleiderschrank konnte ich von Dukes persönlichen Habseligkeiten nichts mehr entdecken. Wahrscheinlich hatte Beck das Dienstmädchen heute Morgen von dem Personalwechsel informiert und sie auch angewiesen, Dukes Garderobe im Kleiderschrank zu lassen.
    Ich trat erneut ans Fenster und sah nach etwa fünf Minuten Beck mit dem Cadillac zurückkommen. Paulie erwartete auch ihn. Der große Wagen musste kaum abbremsen. Dann schloss Paulie das Tor wieder, sperrte es ab und legte eine Sicherungskette um die Gitterstäbe. Obwohl das Tor hundert Meter von mir entfernt war, konnte ich genau verfolgen, was er tat. Der Cadillac fuhr zum Garagenblock weiter. Ich machte mich auf den Weg ins Erdgeschoss. Da Beck zurück war, würde es jetzt vielleicht ein Mittagessen geben. Und Paulie hatte das Tor vermutlich gesichert, weil er ins Haus kommen wollte, um mit uns zu essen.
    Aber ich hatte mich getäuscht.
    In der Eingangshalle begegnete ich Beck, der aus der Küche kam. Sein Mantel war vom Regen nass. Er war auf der Suche nach mir. In einer Hand trug er eine Sporttasche. Dieselbe Tasche, in der er die Maschinenpistolen nach Connecticut befördert hatte.
    »Arbeit für Sie«, sagte er. »Gleich jetzt. Sie müssen die Flut nutzen.«
    »Wo?«
    Er ging weiter, drehte den Kopf zur Seite und sprach über die Schulter mit mir.
    »Das sagt Ihnen der Mann in dem Lincoln«, antwortete er.
    Ich ging in die Küche und verließ das Haus durch die Hintertür. Der Metalldetektor piepste. Ich trat in den Regen hinaus und wollte mich auf den Weg zu den Garagen machen, aber der Lincoln stand gleich an der Hausecke. Der Fahrer hatte gewendet und so geparkt, dass der Kofferraum dem Atlantik zugekehrt war. Am Steuer saß ein Mann. Er hatte dort Zuflucht vor dem Regen gesucht und trommelte ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad. Als er mich im Rückspiegel entdeckte, entriegelte er den Kofferraumdeckel und stieg aus.
    Er sah aus wie jemand, den man aus einem Obdachlosenasyl geholt und in einen Anzug gesteckt hat. Er trug einen langen Spitzbart, der ein fliehendes Kinn kaschieren sollte, und einen fettigen Pferdeschwanz, der von einem rosa Gummiband zusammengehalten wurde. Das Band war mit Strass besetzt. Sein Gesicht wies alte Aknenarben auf. Er hatte Häftlingstätowierungen am Hals und war sehr groß und hager.
    »Bist du der neue Duke?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich. »Der bin ich.«
    »Ich heiße Harley«, sagte er.
    Ich nannte ihm meinen Namen nicht.
    »Bringen wir’s hinter uns«, meinte er.
    »Was denn?«
    Er kam um den Wagen herum und öffnete den Kofferraumdeckel ganz.
    »Müllabfuhr«, sagte er.
    Im Kofferraum des Lincolns lag ein Leichensack in Militärausführung. Schwerer schwarzer Gummi mit einem Reißverschluss über die gesamte Länge. Die Umrisse zeigten, dass er eine kleine Gestalt enthielt. Vermutlich eine Frau.
    »Wer ist das?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte.
    »Die verdammte Agentin«, antwortete er. »Hat lange gedauert, aber wir haben sie schließlich doch erwischt.«
    Er beugte sich hinein und packte ein Ende des Leichensacks. Umklammerte beide Ecken mit den Händen. Wartete darauf, dass ich die andere Seite nahm. Ich stand reglos da, spürte den Regen in meinem Nacken und hörte zu, wie er auf

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