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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Meistens rechnete ich in solchen Momenten. Für zwanzigtausend Dollar konnte ich mir ein großes Goldsucher-Floß kaufen, für achttausend ein kleines. Die großen sahen wie Häuser aus, mit großen Motoren, großen Pumpen, Sieben, so groß wie Doppelbetten, und zwanzig Meter langen Saugarmen, an deren Ende sich stählerne Klauen in den Grund des Flusses fraßen. Auf diese Art kämen mir neben Sand, Steinen und Wasser monatlich ein bis zwei Kilo Gold ins Hausboot, also einbis zweitausend Dollar, und alles, was ich für mein Wohlergehen sonst noch bräuchte, wären drei Gehilfen, die sich für gewöhnlich zwanzig Prozent der Einnahmen teilen, sowie etwas Quecksilber, das Gold und Stein voneinander trennt, und spätestens jetzt eine Waffe.
    Die kleinen Flöße haben kleine Motoren, kleine Pumpen, kleine Siebe und einen Saugarm, der unten im Fluß mit der Hand bedient werden muß. Dafür braucht es Taucher, die bereit sind, mindestens vier Stunden, oft auch sieben oder acht, mit Blei an den Hüften und einem Schlauch auf der Nase in zwanzig Metern Tiefe zu stehen und nichts zu sehen, denn das Wasser des Rio Negro ist tatsächlich so schwarz wie eine sternenlose Nacht. Gefahren: Es gibt Fische, die sind zwei bis drei Meter lang und zertrümmern den Tauchern mit ihren Schwänzen alle Knochen im Leib. Piranhas sind ein kleineres Problem, als man denken sollte; daß aber so Irre wie Feuerkopf mit einem Affenzahn die Flöße umrunden und dabei die Schläuche mit der Sauerstoffzufuhr kappen, kommt schon häufiger vor.
    «Vamos», schrie Feuerkopf, «die Nutten warten!»
    Die Goldsucher wirkten wie ein Antidepressivum auf mich. Sie arbeiteten unter Lebensgefahr, sie feierten unter Lebensgefahr, sie hatten irgendwann eine Grenze überschritten, und dahinter waren offensichtlich nur noch Zahnlücken und ein angstfreies Lachen. Wir kletterten also lachend die Strickleiter zum Bordellschiff hoch und trafen dort auf ein gutes Dutzend ziemlich häßlicher Mädchen und einige Männer, die sie sich für einen «Picote» schöntranken. Für «All night» waren die Goldsucher ohnehin schon zu voll, denn auf diesem Boot durften sie erst ab Mitternacht mit den Frauen in die Koje. Bis dahin wurde getanzt und konsumiert, und das Bier gab’s für ein Gramm im Dreierpack. Als das Schiff zum ersten Mal bei ihnen anlegte, war es noch eine schwimmende Kneipe mit Livemusik auf dem Deck. Die Goldsucher sagten dem Kapitän, sie wüßten was Besseres. Seitdem verdient er in einem Monat soviel wie vorher in einem Jahr.
    Wir haben in den Nächten auf dem Boot immer wieder diskutiert, Juan und ich, wie lange wir noch im Flußcamp bleiben sollen. Wäre es nach mir gegangen, ruhig noch länger, aber Juan meinte, die Reise ins Abenteuer fange hier, vierhundertfünfzig Kilometer nördlich von Manaus und zwei Tagesreisen entfernt von den Grenzen zu Kolumbien und Venezuela, eigentlich erst an. Was die Goldsucher, denen wir Bier spendierten, bestätigten.
     
    Es gab etwa dreitausend Goldsucher im gesamten Amazonas, verteilt über etwa sechzig Camps. Die Camps wanderten mit den Männern, die Männer wanderten mit den Gerüchten, und seit einigen Monaten erzählte man sich überall im Regenwald, daß ein Camp auf dem Pico da Neblina derzeit die beste Adresse auf der Schatzkarte der Goldsucher sei. Der Pico da Neblina ist Brasiliens höchster Berg und von dem Flußcamp gar nicht so weit entfernt, aber man kommt nicht mit dem Schiff hin, auch nicht mit dem Auto. Man muß ein paar Wochen zu Fuß durch den Wald, und von den Leuten, die das machen, erzählten die Goldsucher am Fluß wie Pfadfinder von echten Soldaten. Die letzte Stadt vor dem Berg heißt São Gabriel. Wer auf den Pico da Neblina will, kann sich da alles besorgen, was er im Dschungel braucht. Aber die Knarre könnten wir auch schon bei ihm kaufen, sagte der Marketender, als wir uns von ihm verabschiedeten. Es war eine große schwarze Pistole. Ich kenne mich mit Feuerwaffen nicht aus, aber Juan, der sich auskennt, sagte nein.
    São Gabriel, das wir dank Feuerkopf und dem Schnellboot nach nur sensationellen sechs Stunden erreichten, erwies sich als ein Ort mit zwölftausend Einwohnern und folgender Geschichte: Zuerst kamen die Missionare und bauten ihre Kirche, danach kam die Armee und baute ihre Basis, dann kamen die Händler und bauten ihre Läden, anschließend kamen die missionierten Indianer vom Stamm der Yanomami und bauten Scheiß, denn ein christlicher Indianer ist ein besoffener Indianer,

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