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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Schmerzen. Seagal trainiert acht Stunden pro Tag; nach sechs Jahren ist er soweit, daß er versehentlich Türen einschlägt, wenn er anklopft. Weil er Amerikaner ist, fordert ihn ganz Japan heraus. «Sie traten mir kräftig in den Arsch», sagte er später über diese Zeit. Er wird Großmeister, darf den entsprechenden Titel Sensei führen, hat rund zweitausend Schüler und gilt bald in fast allen Disziplinen als einer der führenden Kampfsportler Japans. Aikido, Judo, Karate, besonders schätzt er den Schwertkampf der Samurai und deren Religion: Bushido. Bu heißt Weg, Shido heißt Krieger. Wichtigste Regel auf dem Weg des Kriegers: die unbedingte Bereitschaft zum Tod.
    Als Seagal nach Kalifornien zurückkehrt und in Los Angeles eine Kampfschule eröffnet, geschieht, was geschehen muß: Michael Ovitz, Chef der Creative Artists Agency (CAA) und Manager von Robert De Niro, Demi Moore, Andy Garcia und Sean Penn, wird erst sein Schüler und dann sein Türöffner bei Warner Brothers. Halleluja auf der Chefetage. Ein gutaussehender, charismatischer Nahkampfprofi, ein Großmeister der Kunst des Tötens, mit Zusatzqualifikation in Akupunktur und Teezubereitung. Schauspielerisches Talent? «Ich hatte genug, um mich selbst darzustellen.»
    Mit Seagal betrat endlich wieder ein echter Samurai den Ring der falschen Helden. Wen gab es denn, nachdem Bruce Lee gestorben war? Chuck Norris, siebenfacher Karate-Weltmeister, harte Knochen, wenig Esoterik. David Carradine («Kung Fu») , Voll-Esoteriker, überhaupt kein Kämpfer. Schwarzenegger und Stallone, Bodybuilder, Bruce Willis, Boxer. Und Van Damme? Ein bißchen klein. Seagal ist zwei Meter groß. Er verfügt über die angeblich schnellste Hand im Actionkino. Selbst wenn man seine Videos in Zeitlupe laufen läßt, ist von Seagals Händen oft nur ein Schatten zu sehen, der sich so schnell wie ein Gedanke von A nach B bewegt. B ist der Dealer, der Zuhälter, der Mafiaschläger, der Terror und das Böse, wo immer er es trifft, und B war in Paris auch mein Daumen.
    Bei einer Übung machte ich mit. Die einfachste, wie mir schien. Im klassischen Aikido ist sie nicht zu finden. Seagal hat sie entwickelt. Seine Daumentechnik ist nicht besonders ästhetisch, aber praktisch. Zur Abwehr eines Handkantenschlages. Er schnappt sich nicht das Handgelenk, sondern den Daumen und drückt ihn nach hinten. Der Vorteil für Seagals Gegner: Man muß nicht fallen können. Man geht nur, wie vom Blitz getroffen, auf die Knie. Die Aktion dauerte höchstens zwei Sekunden; seitdem tut der Daumen weh. Aber ich habe Seagal wenigstens einmal von ganz nah gesehen. Er ist fett geworden, er atmet schwer, er hat ein großartiges Lächeln.
    Man sagt, Seagal habe in den letzten Jahren ein bißchen zu wenig trainiert und zuviel meditiert. Reporter der Pariser Presse sagten, er habe letzte Nacht einfach nur zuviel getrunken. Sie warteten vor der Halle, denn Journalisten war die Teilnahme am Seminar offiziell verboten. Sobald Seagal das Centre Sportif verließ und in die Stretchlimousine stieg, hängten sie sich dran. Am Abend zuvor hatten sie ihn in einem Nachtclub abgelichtet. Seagals Leibwächter versuchten vergeblich, sie zu stoppen. Pariser Paparazzi sind schwer zu stoppen, es sei denn, Seagal erledigt es selbst. Daumen schnappen, umdrehen, auf die Knie. Macht er natürlich nicht, weil Paparazzi nicht unterschreiben, daß er sie verletzen darf. Außerdem ist er so eine Art Buddha geworden, und Schlägereien in der Öffentlichkeit würden mit Sicherheit dem Dharma schaden.
     
    Seagals Buddhatrip. Er besucht den Dalai Lama jedes Jahr ein paarmal in Indien. Möglichst nur, wenn sein gleichgesinnter Kollege aus Hollywood gerade nicht da ist. Richard Gere und Steven Seagal können einander angeblich nicht ausstehen. Und wenn sie in Hollywood oder in Dharamsala, dem indischen Exildorf des Dalai Lama, einmal im selben Restaurant sitzen sollten, dann nie an einem Tisch. In Dharamsala wohnen beide im Gästehaus des Dalai Lama. Den umgänglichen Gere mag der Hotelbesitzer, Seagal mag er nicht, seitdem der unlängst mit einer Blondine und vier bewaffneten Bodyguards auftauchte; Seagal trug ebenfalls eine Waffe. Der Bruder des Dalai Lama, der das Gästehaus führt, fragte nach dem Warum. Antwort: «Ich habe gehört, daß nachts Jaguare von den Bergen kommen.» Die Blondine an Seagals Seite war jung und kaute Kaugummi und fragte den Gastgeber nach «the best restaurant» in dem kleinen Dorf am Fuß des Himalaja. Der Bruder

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