Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
bildschöne, steinreiche und rattenscharfe Frau neben mir, in Wahrheit kommt das pro Woche nicht mehr als einmal vor. Jeden Tag dagegen sitzt in meinem Stammlokal ein Lachsack am Ende der Theke, der glaubt, daß Lachen lustig macht. Er lacht über alles, was andere Stammgäste und das Personal zu ihm sagen, und sie reden viel mit ihm, weil er das Kokain in der Tasche hat. Er lacht nicht aus dem Bauch, sein Witz steckt im Kehlkopf, und es hört sich wie Meckern an. Wer eine Ziege als Thekennachbarn hat, schaltet gern das Hörgerät ab. Oder im Kaffeehaus. Den Gästen, die dort telefonieren, fällt vielleicht nicht auf, daß sie lauter ins Handy sprechen, als sie es tun würden, wenn ihr Gesprächspartner zugegen wäre. Viel lauter. Und nicht alles, was sie dort brüllen und buchen, diktieren und reklamieren, interessiert mich. Mich interessiert die Lektüre einer guten Zeitung, eines Buches oder auch nur das stille Zwiegespräch zwischen Mensch und Tasse. Dafür wurde das Kaffeehaus ursprünglich mal erfunden. Inzwischen ist es zur Telefonzentrale verkommen. Was diese Menschen als einen Quantensprung in der Kommunikationstechnik bejubeln, ist für mich die pure Belästigung. Schön, daß ich das abstellen kann. Und den Lärm auf der Straße. Wenn Türken Gas geben, Vollidioten ihre Motorräder aufheulen lassen, andere Vollidioten durch die offenen Autoscheiben ganze Straßenzüge mit ihrer beknackten Musik beschallen, dann danke ich Gott für meine Behinderung. Die übrigens immer stärker wird.
Am Anfang fiel es anderen auf, nicht mir. Fünf Jahre später fiel es auch mir auf, und ich brauchte noch mal fünf Jahre, bevor ich mir ein Hörgerät anschaffte. Inzwischen höre ich nur noch fünfzig Prozent. Es ist ein langsames, aber permanentes Ausblenden der akustischen Welt. Am Ende wartet Beethoven. Und dann wird es eng. Die fehlenden fünfzig Prozent auszugleichen, schafft ein modernes Hörgerät. Hundert Prozent schafft es nicht. Wie will man das Nichts verstärken?
Wenn ich mal taub bin, kann ich neben Langzeitbaustellen wohnen, und es ist immer Feierabend. Wenn ich mal taub bin, höre ich den Wecker nicht. Wenn ich mal taub bin, ist Friede in meinen Ohren. Und Ruhe im Karton. Trotzdem werde ich etwas vermissen. Vogelgezwitscher zum Beispiel, Kinderlachen, die Stimme des Windes. Und auch der Regen, der mit den Fingern eines Pianisten gegen die Fenster trommelt, wird mir fehlen. Apropos Pianist. Wie wird sie sein, diese Welt, ohne Musik? Ohne Salsa, ohne Walzer, ohne den Trost, der im Blues ist. Ohne ein Lied. Wenn ich mal taub bin, werde ich es wissen, aber ich ahne jetzt schon, daß es mir nicht gefallen wird. Und? Kann man da was machen?
Es gibt zwei Arten von Schwerhörigkeit. Eine ist operativ zu heilen, die andere nicht. Ich habe die andere. Wie mein Vater. Wie mein Großvater. Wie meine Kinder. Ist eine Familienkrankheit ein Familien-Karma? Eine Familien-Sünde? Oder ein Familien-Fluch? Ein Voodoo-Zauberer, den ich auf Kuba kennenlernte, stellte diese Diagnose, oder, besser, der Geist des Toten, den er für diese Zwecke im Keller seines Hauses gefangenhielt, stellte sie. Vor vielen, vielen Jahrhunderten hätte sich meine Familie an Zigeunern versündigt, und die hätten uns dafür verflucht. Für ein Honorar von zwanzig Dollar zwang der Voodoo-Mann den Fluch aus mir heraus und hinein in eine Flasche. Und Korken drauf. In das Meer sollte ich diese Flasche werfen, so weit wie möglich, damit sie nicht auf den Klippen zerschelle und den Fluch wieder freigebe. Denn der sei verflucht schnell.
Ich hatte Gegenwind an der Ufermauer. Wolken jagten über die Bucht von Havanna, Wellen rollten wütend auf mich zu. Deshalb hatte ich den Motor des Mietwagens laufen lassen, auch die Fahrertür stand weit offen. Ich warf die Flasche ins Meer, sprang hinters Steuer und brachte den Fiat in 10,7 Sekunden von null auf hundert. Leider reichte das nicht.
Ein echter Samurai
(Paris)
D as Treffen mit Steven Seagal hinterließ einen nachhaltigen Eindruck: Splitterbruch am Daumen der rechten Hand. Aber a) hatte sich jeder Teilnehmer schriftlich einverstanden erklärt, ihn nicht für eventuelle Verletzungen verantwortlich zu machen, und b) ist so ein Splitterbruch nicht wirklich schlimm. Hält man den Daumen ruhig, wächst der Knochen von allein wieder zusammen.
Viele Hollywoodstars machen ihren Fans das Leben schwer, mehr oder weniger, und Seagal eher mehr, denn er trägt den siebten Dan im Aikido. Er beherrscht auch Karate
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