Der Joker
murmelt noch ein paarmal »Wunderbar!«, und ich habe das Gefühl, dass dieses Weihnachten vollkommen ist.
»Und nun!« Sie schlägt mit der flachen Hand auf die Armlehne. Jetzt da sie ein bisschen geschlafen hat, wirkt sie viel lebendiger. »Willst du jetzt dein Geschenk aufmachen, Jimmy?«
Ich gebe nach.
»Natürlich.«
Ich nehme die Geschenkschachtel und hebe den Deckel hoch. Drinnen liegen ein schwarzer Freizeitanzug und ein meerblaues Hemd. Es ist der erste Anzug und vermutlich auch der letzte, den ich geschenkt bekomme.
»Gefällt er dir?«, fragt sie.
»Er ist toll.« Ich verliebe mich sofort in das Teil, obwohl ich weiß, dass ich wahrscheinlich herzlich wenig Gelegenheiten haben werde, es zu tragen.
»Zieh ihn an, Jimmy.«
»Sofort«, sage ich. »Sofort.« Ich verschwinde im Schlafzimmer, und nachdem ich den Anzug angezogen habe, krame ich noch ein paar alte schwarze Schuhe heraus, die dazu passen. Der Anzug hat keine gepolsterten Schultern, wofür ich dankbar bin. Ich kann es kaum erwarten, wieder ins Wohnzimmer zu gehen, um ihn ihr zu zeigen, aber als ich herauskomme, schläft Milla schon wieder.
Ich setze mich hin.
Im Anzug.
Als sie aufwacht, sagt sie: »Oh, was für ein schöner Anzug, Jimmy.« Sie fasst ihn sogar an, um den Stoff zu befühlen. »Woher hast du ihn?«
Einen Augenblick lang stehe ich verwirrt da, bis mir klar
wird, dass sie alles vergessen hat. Ich küsse die alte Dame auf die Wange.
»Eine schöne Frau hat ihn mir geschenkt«, sage ich.
Diese alte Dame ist wunderbar.
»Das ist nett«, sagt sie.
»Stimmt«, nicke ich.
Sie hat Recht.
Nachdem wir Kaffee getrunken haben, rufe ich ein Taxi und bringe sie nach Hause. Der Taxifahrer ist ausgerechnet Simon, Audreys Freund, der sich an Weihnachten eine Sonderzulage verdient.
Bevor ich Milla ins Haus begleite, bitte ich ihn zu warten. Es ist die reine Faulheit, ich weiß, aber das Geld sitzt mir heute locker und ich kann mir die Fahrt nach Hause leisten.
»Nochmals vielen Dank, Jimmy«, sagt Milla. Zittrig geht sie in die Küche. Sie ist so zerbrechlich und doch so schön. »Es war ein herrlicher Tag«, sagt sie. Dem kann ich nur zustimmen. Sie hat Recht.
Mir wird klar, dass ich die ganze Zeit dachte, ich würde ihr einen Gefallen tun, indem ich Weihnachten mit ihr verbringe.
Aber als ich in meinem schwarzen Freizeitanzug das Haus verlasse, merke ich, dass es umgekehrt ist.
Ich bin derjenige, der sich geehrt fühlen muss, und die alte Dame wird einfach immer wunderbar sein.
»Zurück nach Hause?«, fragt mich der Freund, als ich zum Taxi komme.
»Ja, bitte.«
Ich sitze auf dem Beifahrersitz und er fängt ein Gespräch an. Er will unbedingt über Audrey reden, während ich mir wünsche, er würde das sein lassen.
Er sagt: »Du und Audrey, ihr seid schon seit Jahren befreundet, oder?«
Ich halte meine Augen auf das Armaturenbrett geheftet. »Vielleicht noch länger.«
Er springt mich förmlich an. »Liebst du sie?«
Die Offenheit seiner Frage trifft mich unvorbereitet, besonders weil sie fast ohne Einleitung gestellt wurde. Ich nehme an, er hat sich überlegt, dass der Weg zu meinem Haus nicht weit ist und er kaum Zeit hat. Er will das meiste aus der Sache herausholen, was ich gut verstehen kann. Er fragt noch einmal. »Ja?«
»Ja was ?«
»Fang bloß nicht so an, Kennedy. Liebst du sie?«
»Was meinst du denn?«
Er reibt sich das Kinn und schweigt, also rede ich weiter.
Ich sage: »Die Frage ist gar nicht, ob ich sie liebe. Was du eigentlich wissen willst, ist, ob sie dich liebt.« Meine Stimme durchfährt ihn. Ich mache den armen Kerl so richtig fertig. »Stimmt doch, oder nicht?«
»Also...« Er druckst herum, und ich spüre, dass er eine Antwort verdient. Oder wenigstens einen Teil davon.
»Sie will dich nicht lieben«, sage ich zu ihm. »Sie will niemanden lieben. Sie hatte ein hartes Leben. Die einzigen Menschen, die sie je geliebt hat, hat sie am meisten gehasst.« Bilder unserer Kindheit steigen in mir hoch. Sie wurde oft verletzt, und sie schwor sich, dass es nie mehr so sein sollte. Sie würde es nicht zulassen.
Der Freund sagt nichts. Er sieht gut aus, denke ich. Besser als ich. Er hat sanfte Augen und ein energisches Kinn. Die Koteletten auf seinen Wangen verleihen ihm etwas von einem männlichen Fotomodell.
Wir schweigen, bis er in meine Einfahrt einbiegt. Dann sagt er: »Sie liebt dich, Ed...«
Ich schaue ihn an. »Aber dich will sie.«
Und das ist das
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