Der Joker
und still, bis auf den riesigen Mann, der nach Hause getaumelt ist und seine Frau anschreit.
Im Schlafzimmer geht das Licht an.
Durch die Bäume kann ich die Schatten sehen.
Die Frau steht in ihrem Nachthemd da, aber die Hände des Mannes greifen nach ihr und reißen es ihr weg.
»Ich dachte, du wartest auf mich«, sagt er. Er hat sie an den Armen gepackt. Mich packt die Furcht an der Kehle. Als Nächstes wirft er sie aufs Bett, löst seinen Gürtel und zieht sich die Hose aus.
Er ist auf ihr.
Er schiebt sich in sie.
Er hat Sex mit ihr und das Bett schreit voller Schmerzen auf. Es kreischt und heult und nur ich kann es hören. Herr im Himmel, es ist ohrenbetäubend. Warum kann die Welt es nicht hören? , frage ich mich. Sekunde um Sekunde stelle ich mir immer wieder diese Frage. Und dann weiß ich die Antwort: Weil es der Welt egal ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass ich Recht habe. Es ist so, als ob ich auserwählt wäre. Aber auserwählt wozu? , frage ich mich.
Die Antwort ist ganz einfach.
Damit es nicht egal ist.
Ein kleines Mädchen erscheint auf der Veranda.
Sie weint.
Ich beobachte weiter.
Jetzt ist da nur noch Licht. Kein Lärm.
Ein paar Minuten lang ist nichts zu hören, doch dann fängt es wieder an - und ich weiß nicht, wie oft es dieser Mann in einer Nacht tun kann, aber es ist zweifellos eine Leistung. Es geht weiter und weiter und das Mädchen sitzt da und weint.
Sie ist ungefähr sechs.
Als es schließlich aufhört, steht das Mädchen auf und geht ins Haus. Das passiert doch wohl nicht jede Nacht? Ich rede mir ein, dass es nicht möglich ist, da kommt anstelle des Mädchens die Frau nach draußen.
Auch sie setzt sich hin, genau wie das Kind. Sie hat wieder ihr Nachthemd an, halb zerrissen, und den Kopf in die Hände gelegt. Im Mondlicht ist eine ihrer Brüste zu sehen. Ich kann den Nippel erkennen, nach unten geneigt, niedergeschlagen und verletzt. Irgendwann streckt sie ihre Hände aus, formt mit ihnen eine Schale, als ob sie darin ihr Herz halten würde. Es blutet durch ihre Finger.
Ich wäre fast hinübergegangen, aber mein Instinkt belehrt mich eines Besseren.
Du weißt, was zu tun ist.
In meinem Innern flüstert eine Stimme und ich höre ihr zu. Sie hält mich davon ab, zu ihr zu gehen. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich bin nicht hier, um diese Frau zu trösten. Ich könnte sie trösten bis ans Ende aller Tage. Das würde nichts an dem ändern, was morgen Nacht geschieht. Und in der Nacht danach.
Er ist es, um den ich mich kümmern muss.
Er ist es, dem ich mich stellen muss.
Aber trotzdem - sie sitzt auf der Veranda und weint, und ich wollte, ich könnte hinübergehen und sie in den Arm nehmen. Ich wollte, ich könnte sie retten und sie festhalten.
Wie können Menschen so leben?
Wie können sie überleben?
Vielleicht ist das der Grund, warum ich hier bin.
Was ist, wenn sie es nicht mehr können?
6
Einfach so in Stücke
Ich fahre Taxi und denke nach. Was kommt als Nächstes? Die erste Adresse, und ich muss eine Vergewaltigung mit ansehen. Und um die Sache auf die Spitze zu treiben, ist der Kerl, mit dem ich es zu tun habe, ungefähr so groß wie ein Haus. Und zwar ein mehrstöckiges.
Ich erzähle es niemandem. Nicht meinen Freunden. Nicht der Polizei. Es muss etwas getan werden, was weder Freunde noch Obrigkeit bewerkstelligen können. Unglücklicherweise bin ich derjenige, dem es obliegt, die Sache durchzuführen.
Audrey fragt mich danach, als wir in der Stadt zusammen Mittag essen, aber ich sage nur, dass sie es gar nicht wissen will.
Sie wirft mir jenen besorgten Blick zu, den ich so liebe, und sagt: »Pass bitte auf dich auf, Ed, ja?«
Ich stimme ihr von Herzen zu und wir gehen wieder zu unseren Taxis.
Den ganzen Tag geht mir die Sache nicht aus dem Kopf. Mir graut schon vor den beiden anderen Adressen, obwohl irgendetwas in meinem Innern mir versichert, dass mich dort nichts Schlimmeres erwarten kann als in der Edgar Street.
Ich gehe jede Nacht dorthin, während langsam der Mond durch seinen Zyklus wandert. Manchmal geschieht es nicht. Manchmal kommt er nach Hause und die Gewalt bricht nicht aus. In diesen Nächten schwillt die Stille in der Straße an. Sie ist verängstigt und unsicher, während ich darauf warte, dass etwas passiert.
Eines Nachmittags, als ich einkaufen gehe, erlebe ich
einen Schock. Ich marschiere durch die Tierfutterabteilung, als eine Frau an mir vorbeigeht. Sie schiebt einen Einkaufswagen, in dem ein kleines Mädchen
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