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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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verkaufen?«
    »Nein.«
    »Von den Zeugen Jehovas?«
    »Nein.«
    »Dann kommen Sie rein.« Sein Ton hat sich urplötzlich verändert und seine Augen sind jetzt freundlich. Sie führen mich in Versuchung, sein Angebot anzunehmen, aber ich besinne mich anders.
    Wir bleiben jeder auf seiner Seite der Fliegengittertür. Ich frage mich, wie ich es anstellen soll, und entscheide mich dann für den direkten Weg. »Sir, sind Sie Thomas O’Reilly?«
    Er macht einen Schritt auf mich zu und zögert einen Moment mit der Antwort. »Nein, ich bin Tony. Thomas ist mein Bruder. Er wohnt unten in der Stadt in irgend so einer Baracke in der Henry Street.«
    »Okay, danke. Tut mir Leid, dass ich Sie belästigt habe«, sage ich und wende mich zum Gehen.
    »He.« Er schiebt die Fliegengittertür zur Seite und kommt mir nach. »Was wollen Sie von meinem Bruder?«
    Ich bleibe stehen. »Das weiß ich noch nicht.«
    »Wenn Sie zu ihm gehen«, sagt er, »könnten Sie mir dann einen Gefallen tun?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Klar.«
    »Können Sie ihm ausrichten, dass mich die Gier noch
nicht vollends aufgefressen hat?« Der Satz landet wie ein schlaffer Luftballon zwischen uns.
    »Klar. Kein Problem.«
    Ich bin schon fast zum Tor hinaus, da ruft mich Tony O’Reilly noch einmal zurück. Ich drehe mich um und schaue ihn an.
    »Ich sollte Sie warnen.« Er kommt näher. »Mein Bruder ist Priester.«
    Ein paar Sekunden lang stehen wir völlig still. Ich lasse diese Information in mir niedersinken. »Danke«, sage ich und verlasse die Einfahrt.
    Ich gehe weg und denke: Immer noch besser als ein Typ, der seine Ehefrau verprügelt und vergewaltigt.
     
    »Wie oft soll ich es dir noch sagen?«
    »Ganz ehrlich?«
    »Ich bin es nicht, Ed. Wenn ich es wäre, würde ich es dir sagen.«
    Ich führe dieses Gespräch mit meinem Bruder Tommy am Telefon. Meine Gedanken sind zu ihm gewandert, nachdem ich zum Fluss und zum Berg der Brüder geführt wurde. Tommy ist der Einzige, der weiß, dass wir früher dorthin gegangen sind. Wir haben nie jemandem davon erzählt. Wir glaubten, dass wir uns eine Tracht Prügel einfangen würden, wenn jemand wüsste, dass wir allein so weit flussaufwärts gingen. Aber vielleicht wusste doch jemand davon und hat seinerseits nichts gesagt. Schließlich konnten wir beide schwimmen.
    Ich habe ihm von den Spielkarten erzählt, und er sagte: »Wie kommt es, dass so was immer nur dir passiert, Ed? Wenn irgendwas Komisches in der Luft liegt, landet es mit
Sicherheit auf dir. Du ziehst die Kacke an wie ein Magnet.«
    Wir lachten.
    Ich habe darüber nachgedacht.
    Taxifahrer. Loser des Viertels. Inbegriff der Mittelmäßigkeit. Ein Schlappschwanz im Bett. Ein jämmerlicher Kartenspieler. Ein Verlierer. Und jetzt auch noch einer, der Kacke anzieht wie ein Magnet.
    Zugegeben.
    Die Liste klingt ziemlich interessant.
     
     
    »Wie geht’s dir überhaupt, Tommy?«
    »Ganz gut. Und dir?«
    »Nicht schlecht.«
    Ende des Gesprächs.
    Tommy ist es also nicht.
     
     
    Unser Kartenspiel ist in letzter Zeit durch eine kleine Dürreperiode gegangen und so organisiert Marv eine große Nacht. Der Ort des Geschehens ist Ritchies Haus. Seine Familie ist gerade im Urlaub.
    Bevor ich zu Ritchie gehe, mache ich mich auf den Weg zur Henry Street und halte Ausschau nach Thomas O’Reilly. Während ich laufe, zappelt mein Magen in mir herum, und meine Hände tasten nach den Jackentaschen. Die Straße ist ein echter Schocker und genießt diesen Ruf, solange ich denken kann. Zerbrochene Dachziegel, zerbrochene Fenster, zerbrochene Menschen. Auch das Haus des Priesters bietet keinen schönen Anblick, selbst aus einiger Entfernung.
    Das Dach besteht aus verrostetem Wellblech.

    Die Wände sind aus schmutzig weißen Fertigteilelementen.
    Die Wandfarbe wirft ungesunde Blasen.
    Der Zaun ist verkrüppelt, kann sich kaum aufrecht halten.
    Eine Pforte, die schmerzverkrümmt in den Angeln hängt.
    Ich bin fast da, als ich merke, dass ich es niemals bis dorthin schaffen werde …
    Drei sehr große Männer treten aus einer Seitengasse und fangen an, Fragen zu stellen. Sie drohen mir mit keinem Wort, aber allein ihre Gegenwart gibt mir das Gefühl, ungeschützt und allein zu sein.
    »He, Mann, haste mal’n paar Cents?«, fragt einer von ihnen.
    »Oder Kippen?«, sagt der Nächste.
    »Bist du sicher, dass du deine Jacke noch brauchst?«
    »Komm schon, Mann, eine Kippe. Ich weiß, dass du rauchst. Eine Kippe wird dich schon nich’ umbringen...«
    Einen Moment lang

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