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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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und unerschütterlich. »Stimmt das, Clem?«
    »Ja, aber...«
    »Kein Aber, Clem. Bleib heute Abend zu Hause, okay? Haltet Händchen und schaut fern.«
    Stimme eins: »Okay, Vater.«

    Stimme zwei: »Danke, Vater.«
    Vater O’Reilly kommt zu mir zurück und schüttelt den Kopf. »Das sind die Parkinsons«, sagt er. »Erbärmliche Leute.« Dieser Kommentar aus seinem Mund schockiert mich. Ich habe noch nie einen Priester so etwas sagen hören. Eigentlich habe ich überhaupt noch nie mit einem Priester gesprochen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht alle so sind wie Thomas O’Reilly.
    »Passiert das oft?«, frage ich.
    »Zwei-, dreimal in der Woche. Mindestens.«
    »Wie können Sie so leben?«
    Er breitet seine Arme aus und schaut an seiner Soutane herab. »Dafür bin ich hier.«
     
     
    Wir reden eine Zeit lang, der Vater und ich.
    Ich erzähle ihm vom Taxifahren.
    Er erzählt mir vom Predigen.
    Er gehört zu der alten Kirche am Rande der Stadt, und ich weiß jetzt auch, warum er sich dazu entschlossen hat, hier zu leben. Die Kirche ist zu weit weg, als dass er wirklich jemandem helfen könnte. Dies hier ist der richtige Platz für ihn. Hier ist er mittendrin. Hier ist der Ort, wo der Vater sein muss. Nicht in irgendeiner Kirche, wo er nur Staub ansetzt.
    Manchmal wundere ich mich über die Art, wie er redet. Als er mir den Zustand seiner Kirche erklärt, habe ich die Gelegenheit, ihn darauf anzusprechen. Er räumt ein, dass seine Kirche schon längst Pleite gegangen wäre, wenn es sich um einen Laden oder ein Restaurant handeln würde.
    »Die Geschäfte laufen wohl schlecht, was?«, bemerke ich.

    »Willst du die Wahrheit hören?« Das Glas in seinen Augen zersplittert und durchbohrt mich. »Beschissen.«
    Und da muss ich ihn einfach fragen: »Dürfen Sie wirklich so reden? Bei all der Heiligkeit und dem ganzen Kram?«
    »Was? Weil ich ein Priester bin?« Er schlürft den Satz aus seiner Tasse. »Klar. Gott weiß, was wichtig ist.«
    Ich bin erleichtert, weil er jetzt nicht davon anfängt, dass Gott uns alle kennt, und nicht den ganzen Rest dieses Sermons herunterleiert. Er predigt eigentlich überhaupt nicht. Niemals. Nicht wirklich. Selbst als wir beide nichts mehr zu sagen haben, schaut er mich einfach mit einer Endgültigkeit an und sagt: »Aber lass uns heute nicht über Religion reden, Ed. Lass uns über etwas anderes reden.« Seine Stimme nimmt einen leicht formellen Ton an. »Lass uns darüber reden, warum du hier bist.«
    Wir starren quer über den Tisch.
    Einander an.
    Nur ganz kurz.
     
     
    Das Schweigen dauert an. Schließlich beichte ich dem Priester. Ich erkläre ihm, dass ich noch nicht weiß, warum ich hier bin. Ich erzähle ihm nichts über die Aufgaben, die ich bereits erfüllt habe, und auch nichts über diejenigen, die noch nicht erledigt sind. Ich sage ihm bloß, dass meine Anwesenheit einen bestimmten Zweck hat und dass mir dieser Zweck schon irgendwann noch klar werden wird.
    Er hört mir aufmerksam zu, die Ellbogen auf den Küchentisch gestützt. Seine Hände sind verschränkt und seine Finger ineinander verschlungen, direkt unter seinem Kinn.
    Eine kleine Weile vergeht, bis er sich sicher ist, dass ich nichts mehr weiter zu sagen habe.

    Dann spricht er, sehr ruhig und sehr deutlich. Er sagt: »Mach dir keine Sorgen, Ed. Du wirst früher oder später wissen, was du tun musst. Ich habe so ein Gefühl, dass dies zumindest in der Vergangenheit der Fall war.«
    »Das stimmt«, nicke ich.
    »Tu mir nur einen einzigen Gefallen«, sagt er. Ich merke, dass er sich bemüht, nicht zu offensichtlich religiös zu wirken. »Finde deinen Glauben, Ed. Okay?«
    Ich suche in der Kaffeetasse, aber da ist nichts.
     
     
    Er bringt mich noch zur Tür und dann ein Stück die Straße entlang. Auf dem Weg begegnen wir dem Kippen-, dem Münzen- und dem Jackenlosen. Vater O’Reilly befiehlt sie zu sich und stellt sie in einer Reihe auf.
    Er sagt: »Hört mal gut zu, Jungs. Ich möchte euch Ed vorstellen. Ed, das sind Joe, Graeme und Joshua.« Ich gebe allen dreien die Hand. »Jungs, das ist Ed.«
    »Hi, Ed.«
    »Schön, dich kennen zu lernen.«
    »Alles klar, Ed?«
    »Also, Jungs, ich möchte, dass ihr euch Folgendes merkt.« Der Vater spricht jetzt streng. »Ed ist ein persönlicher Freund von mir und ihr werdet ihn nicht noch einmal um Zigaretten oder Geld anbetteln. Und ganz bestimmt nicht um seine Jacke.« Er wirft mir ein rasches Grinsen zu. »Ich meine, schau dir das Ding doch mal an, Joe.

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