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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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meine Eltern sind da und meine Schwester und...«
    »Red keinen Quatsch, Marv, wir mögen deine Eltern.« Ritchie hat heute richtig Feuer im Hintern. Normalerweise ist es ihm völlig egal, wo die Party stattfindet. Aber er hat Lust, Marv auf Touren zu bringen. »Und deine Schwester mögen wir auch. Sie ist heiß, Mann, so heiß wie ein Strand in der Sommersonne! Sie rast schon vor Hitze!«
    »Ein Strand in der Sommersonne?«, fragt Audrey. »Und sie rast vor Hitze?«
    Ritchie hämmert mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt richtig, Mädchen.«
    Wir drei lachen, während sich Marv windet.
    »Es ist ja nicht so, als hättest du kein Geld«, sage ich zu ihm. »Dreißigtausend, war’s nicht so?«
    »Sind gerade vierzig geworden«, erwidert er. Diese Aussage ist der Anlass zu einer hitzigen Diskussion über die Frage, was Marv mit einer solchen Summe anfangen will. Er erklärt uns knapp, das ginge nur ihn etwas an, und danach lassen wir die Sache fallen.
    Irgendwie lassen wir ziemlich viele Sachen fallen.
    Nach ein paar Minuten gebe ich nach.

    »Wir machen es einfach hier«, sage ich. Ich schaue Marv an. »Aber kein Wort über den Türsteher, verstanden?«
    Marv ist nicht glücklich darüber, aber er ist einverstanden.
    Ich setze nach.
    »Also gut, Marv«, sage ich. »Wir machen es so: Ich richte das Weihnachtsspiel aus, aber nur unter einer Bedingung.«
    »Unter welcher?«
    »Du musst dem Türsteher ein Geschenk mitbringen.« Ich will die Situation ein bisschen auskosten. Bei Marv bekommt man nicht allzu oft Gelegenheit dazu, ihm eins auszuwischen, und ich muss sagen, die jetzige entwickelt sich besser, als ich gehofft hatte. Ich bin über mich selbst entzückt. »Du kannst ihm ein großes, saftiges Steak mitbringen und...« - mir kommt ein glorreicher Gedanke - »du musst ihm einen Kuss geben. Unter dem Mistelzweig, sozusagen.«
    Ritchie schnalzt mit dem Finger. »Super Idee, Ed. Grandios.«
    Marv ist sprachlos.
    Vor Entrüstung.
    »Das ist ekelhaft«, sagt er zu mir, aber er weiß, dass er immer noch besser dabei wegkommt, als wenn er den Truthahn kaufen und ihn auch noch zubereiten müsste. Endlich entschließt er sich. »Also gut, ich mach es.« Er deutet mit dem Finger auf mich. »Aber du bist ein völlig irrsinniger Mistkerl, Ed.«
    »Danke, Marv, ich weiß es zu würdigen.« Und zum ersten Mal seit vielen Jahren freue ich mich auf Weihnachten.
     
     
    Je nachdem wie ich es zwischen meinen Schichten einrichten kann, gehe ich zur Havanna Road. Es ist unschwer
zu erkennen, dass diese Familie hart arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Trotzdem weiß ich immer noch nicht, was ich hier tun muss. Eines Abends, als ich hinter dem Gebüsch stehe, kommt der Vater zu mir. Er ist ein großer Kerl und könnte mich mit einer Hand erwürgen. Er sieht nicht erfreut aus.
    »He«, ruft er mir zu. »Du da. Ich hab dich hier schon mal gesehen.« Flink kommt er auf mich zu. »Komm sofort da raus.« Seine Stimme ist nicht laut. Sie hört sich so an, als wäre sie es gewohnt, sanft und ruhig zu sprechen. Aber seine Größe macht mir trotzdem Angst.
    Keine Sorge , sage ich zu mir. Es ist nötig, dass ich hier bin. Es muss sein, koste es, was es wolle.
    Ich komme aus dem Gebüsch und trete dem Mann gegenüber, genau in dem Moment, in dem die Sonne hinter dem Haus versinkt. Er hat weiche, dunkle Haut und schwarze Locken und Augen, die mir drohen.
    »Spionierst du meinen Kindern nach, Junge?«
    »Nein, Sir.« Ich hebe meinen Kopf in die Höhe. Ich will stolz aussehen, stolz und ehrlich.
    Moment mal , denke ich. Ich bin doch ehrlich. Meistens jedenfalls.
    »Und warum stehst du dann da?«
    Ich lüge und hoffe.
    »Ich habe früher in diesem Haus gewohnt«, sage ich. Scheiße. Gute Idee, Ed. Ich bin von mir selbst beeindruckt. »Vor vielen Jahren, bevor wir näher ans Stadtzentrum gezogen sind. Manchmal komme ich hier raus und schaue mir das Haus an.« Und bitte , flehe ich, bitte lass die Leute noch nicht lange hier wohnen. »Mein Vater ist vor kurzem gestorben, und wenn ich hierher komme, dann denke ich
an ihn. Ich denke an ihn, wenn ich sehe, wie Sie Ihre Kinder in die Luft werfen und sie auf Ihre Schulter setzen und herumtragen …«
    Der Mann entspannt sich, nur ein bisschen.
    Gott sei Dank.
    Er kommt etwas näher. Hinter ihm fällt die Sonne auf seine Hände und Kniekehlen.
    »Ja, das ist eine ziemlich schäbige Hütte«, sagt er und wedelt mit der Hand in Richtung Haus. »Aber mehr können wir uns momentan nicht

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