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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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während sie mit ihrem Freund spricht und zu Abend isst. Ich stelle mir vor, wie er sie in der Küche mit kleinen Häppchen füttert, die sie mit ihren Lippen von seinen Fingern fischt.
    Der Türsteher begleitet mich.
    Mein treuer Gefährte.
    Unterwegs kaufe ich uns Pommes frites mit Salz und Essig. Die Portion ist schön altmodisch in Zeitungspapier gewickelt, genauer gesagt in die Sportseiten. Der Tipp für das Hauptrennen des heutigen Tages war eine zweijährige Stute mit Namen »Bacon Rashers«. Ich frage mich, ob sie gewonnen hat. Dem Türsteher ist das völlig egal. Er hat die Pommes frites gewittert.
    Im Haus Nummer 23 in der Babel Street befindet sich ein Restaurant. Ein winzig kleines mit Namen »Melusso’s«. Italienisch. Das Restaurant steht inmitten einer kleinen Einkaufspassage und ist wie fast alle kleinen Restaurants dämmrig beleuchtet. Es riecht gut.

    Auf der anderen Straßenseite steht eine Parkbank und wir setzen uns dorthin und essen Pommes frites. Meine Hand greift immer wieder in das feuchte, schmierige Papier hinein. Ich genieße jede Sekunde. Jedes Mal wenn ich dem Türsteher eine Fritte zuwerfe, wartet er, bis sie auf den Boden gefallen ist. Dann beugt er sich vor und leckt sie auf. Dieser Hund lehnt nichts Essbares ab. Über Cholesterin oder Ähnliches macht er sich mit Sicherheit nicht viele Gedanken.
     
     
    Nichts in dieser Nacht.
    Nichts in der nächsten.
    Die Zeit verstreicht ungenutzt.
    Die Sache wird zur Routine. Babel Street. Pommes frites. Der Türsteher und ich.
    Der Besitzer des Restaurants ist alt und würdevoll. Ich bin ziemlich sicher, dass ich nicht wegen ihm hierher geschickt wurde. Ich spüre es. Etwas wird geschehen.
     
     
    Eines Freitagnachts, als ich vor dem Restaurant gesessen und wieder gegangen bin, nachdem es zugemacht hatte, komme ich heim und finde Audrey auf meiner Veranda vor. Sie wartet auf mich. Sie trägt Shorts und ein helles T-Shirt ohne BH. Audrey ist obenherum nicht besonders üppig ausgestattet, aber hübsch und ansehnlich. Ich zögere einen Moment und gehe dann weiter. Der Türsteher rappelt sich zu einem Trott auf, um schneller bei ihr zu sein, so gern mag er sie.
    »Hallo, Türsteher«, sagt sie. Freundlich kniet sie sich nieder und begrüßt ihn. Die beiden sind gute Freunde. »Hallo, Ed.«

    »Hallo, Audrey.«
    Ich mache die Tür auf und sie folgt mir ins Haus.
    Wir setzen uns.
    In die Küche.
    »Wo warst du diesmal?«, fragt sie mich. Ich muss beinahe lachen, denn normalerweise wird diese Frage mit deutlicher Missbilligung in der Stimme unzuverlässigen Ehemännern gestellt.
    »Babel Street«, sage ich.
    »Babel Street?«
    Ich nicke. »Ein Restaurant.«
    »Es gibt wirklich eine Straße, die Babel Street heißt?«
    Ich nicke.
    »Was ist dort los?«
    »Noch nichts.«
    »Aha.«
    Sie schaut zur Seite und ich fasse mir ein Herz. Ich sage: »Warum bist du hier, Audrey?«
    Sie schaut zu Boden.
    Weg von mir.
    Schließlich antwortet sie. »Ich hab dich irgendwie vermisst, Ed.« Ihre Augen sind hellgrün und feucht. Ich will ihr sagen, dass es erst eine knappe Woche her ist, seit wir uns gesehen haben, aber ich glaube, ich weiß, was sie meint. »Ich habe das Gefühl, dass du mir irgendwie entgleitest. Du hast dich verändert, seit all das angefangen hat.«
    »Verändert?«
    Ich frage zwar, aber ich weiß selbst, dass es stimmt. Ich habe mich verändert.
    Ich stehe auf und schaue sie an.
    »Ja«, sagt sie. »Früher warst du einfach.« Sie versucht, es
zu erklären, als ob sie selbst es eigentlich gar nicht hören will. Aber aus irgendeinem Grund muss sie es sagen. »Jetzt bist du jemand, Ed. Ich weiß nicht, was du alles gemacht hast und was du erlebt hast, aber… ich weiß nicht… du scheinst dich zu entfernen.«
    Ironie des Schicksals, nicht wahr? Alles, was ich jemals wollte, war, ihr nahe zu sein. Ich habe es versucht. Verzweifelt.
    Sie findet die abschließenden Worte. »Du bist besser geworden.«
    Bei diesen Worten sehe ich die Dinge aus Audreys Blickwinkel. Sie mochte es, dass ich einfach war. Damals war unsere Beziehung sicherer, beständig. Jetzt habe ich etwas bewegt. Ich habe der Welt meinen Stempel aufgedrückt, egal wie klein der auch war, und das hat Audrey und mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Vielleicht hat sie Angst, dass ich, wenn ich sie nicht haben kann, sie auch nicht haben will.
    So einfach.
    So wie es früher war.
    Sie will mich nicht lieben, aber sie will mich auch nicht verlieren.
     
     
    Sie will, dass wir Freunde sind.

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