Der Joker
Wie früher.
Aber dafür gibt es keine Garantie mehr.
Wir sind Freunde , versuche ich zu versprechen.
Ich hoffe, dass ich Recht habe.
Wir stehen noch immer in der Küche und meine Finger berühren Luas Stein in der Tasche. Ich denke über das nach, was Audrey gesagt hat. Vielleicht streife ich wirklich und
wahrhaftig den alten Ed Kennedy ab, zugunsten dieser neuen Person, die nicht mehr unfähig und zögerlich ist, sondern voller Entschlossenheit. Vielleicht wache ich eines Morgens auf und trete aus mir heraus, schaue zurück und sehe mein altes Ich tot zwischen den Laken liegen.
Das ist gut, ich weiß es.
Aber wie kann etwas Gutes plötzlich so traurig machen?
Ich wollte es doch von Anfang an.
Ich gehe zum Kühlschrank und hole etwas zu trinken. Ich habe beschlossen, dass wir uns unbedingt betrinken müssen. Audrey ist einverstanden.
»Was hast du denn gemacht?«, frage ich später auf dem Sofa. »Ich meine, während ich in der Babel Street war?«
Ich sehe ihr an, dass sich ihre Gedanken im Kreis drehen.
Sie ist betrunken genug, um es mir zu sagen, auf eine schüchterne Art.
»Du weißt schon«, sagt sie verlegen.
»Nein.« Ich verspotte sie ein bisschen. »Ich weiß es nicht.«
»Simon war bei mir und wir... ein paar Stunden.«
»Ein paar Stunden lang?«
Ich bin gekränkt, verweigere jedoch dem Schmerz den Weg in meine Stimme. »Woher hattest du überhaupt noch die Kraft, hierher zu kommen?«
»Ich weiß es nicht«, gibt sie zu. »Er ist nach Hause gegangen und ich habe mich leer gefühlt.«
Und da bist du zu mir gekommen , denke ich, aber ohne Bitterkeit. Nicht in diesem Augenblick. Die Vernunft sagt mir, dass körperliche Begehrlichkeiten nicht so wichtig
sind. Audrey braucht mich jetzt und um der alten Zeiten willen ist dies völlig ausreichend.
Sie weckt mich kurze Zeit später. Wir sitzen immer noch auf dem Sofa. Auf dem Tisch vor uns hat sich eine Anzahl Flaschen versammelt. Sie stehen da wie Zuschauer. Wie Gaffer nach einem Verkehrsunfall.
Audrey schaut mich direkt an, zögert und überreicht mir dann eine Frage.
»Hasst du mich, Ed?«
Immer noch benommen und unter dem Einfluss der Luftblasen und des Wodkas in meinem Bauch, antworte ich ihr. Sehr ernsthaft.
»Ja«, flüstere ich. »Das tue ich.«
Stille. Auf die wir beide mit Gelächter einschlagen. Als sie zurückkehrt, schlagen wir wieder zu. Das Gelächter dreht sich vor uns im Kreis und wir schlagen wieder und wieder um uns.
Als sich die Stimmung beruhigt, flüstert Audrey: »Ich kann’s dir nicht verdenken.«
Das nächste Mal werde ich von einem Klopfen an der Haustür geweckt.
Ich stolpere dorthin, öffne die Tür, und vor mir steht der Typ, der sich ohne zu bezahlen aus meinem Taxi davongemacht hat. Das war vor einer halben Ewigkeit, so scheint es mir.
Er sieht verärgert aus.
Wie üblich.
Er hebt die Hände, um mir zu bedeuten, dass ich gefälligst die Klappe zu halten habe, und sagt: »Halt einfach
die Klappe« - wusste ich’s doch! - »und hör mir zu.« Er klingt noch eine Spur verärgerter, als er aussieht: »Hör zu, Ed.« Seine gelb geränderten Augen kratzen über meine Haut. »Es ist drei Uhr morgens, es regnet, und wir stehen hier.«
»Ja«, nicke ich. Eine Wolke aus Suff hängt über mir. Fast erwarte ich, dass es Wodka regnet. »Wir stehen hier.«
»Mach dich bloß nicht über mich lustig, Freundchen.«
Ich zucke zurück. »Tut mir Leid. Was ist los?«
Er zögert und die Luft zwischen uns schreit nach Gewalt. Er spricht.
»Morgen Abend. Punkt acht Uhr. ›Melusso’s‹.« Er geht weg, doch dann fällt ihm noch etwas ein. »Und tu mir einen Gefallen, ja?«
»Sicher.«
»Friss nicht so viele Pommes frites, kapiert? Davon wird einem ja kotzübel!« Jetzt zeigt er mit dem Finger auf mich. Drohend. »Und beeil dich gefälligst ein bisschen. Du glaubst vielleicht, dass ich nichts Besseres zu tun habe, aber da irrst du dich gewaltig.«
»Alles klar. Verstanden.« In meinem benebelten Hirn will ich nichts unversucht lassen. »He«, rufe ich. »Wer schickt dich?«
Der junge Mann mit der gold geränderten Brille, dem schwarzen Anzug und dem brutalen Auftreten kehrt zurück, erklimmt noch einmal die Stufen der Veranda. Er sagt: »Woher zum Teufel soll ich das wissen, Kennedy?« Jetzt lacht er sogar und schüttelt den Kopf. »Du bist möglicherweise nicht der Einzige, der Asse im Briefkasten liegen hat. Hast du darüber schon mal nachgedacht?«
Er bleibt noch einen
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