Der Joker
Muster in der Hand.
Er sagt: »Den hat mir einmal ein Freund gegeben, Ed. Er bringt Glück.« Er hält ihn mir hin. »Ich möchte ihn dir schenken.«
Zunächst schauen wir alle drei den Stein an. Keiner sagt etwas.
Meine Stimme trifft mich unvorbereitet.
»Nein, Lua«, sage ich, »das kann ich nicht annehmen.«
Seine sanften Worte sind ruhig, aber bestimmt. Seine Augen drücken eine wilde Ernsthaftigkeit aus. »Doch, Ed, du musst. Du hast uns so viel gegeben. Mehr, als du je wissen wirst.« Er streckt mir wieder den Stein entgegen, legt ihn schließlich in meine Handfläche und schließt meine Finger darum. Er hält meine Hand in seinen beiden Händen. »Er gehört dir.«
»Nicht nur als Glücksbringer«, sagt Marie zu mir. »Sondern auch als Erinnerung.«
Da nehme ich den Stein und betrachte ihn. »Danke«, sage ich zu den beiden. »Ich werde gut drauf aufpassen.«
Lua legt mir seine Hand auf die Schulter. »Das weiß ich.«
Gemeinsam stehen wir in der Küche.
Als ich gehe, küsst mich Marie auf die Wange, und wir verabschieden uns voneinander.
»Denk dran«, sagt sie. »Du bist jederzeit willkommen. Komm zu uns, wann immer zu willst.«
»Danke«, sage ich und gehe zur Tür hinaus.
Lua will mich nach Hause fahren, aber ich lehne sein Angebot ab. Heute Abend ist mir nach Laufen zumute. Wir schütteln uns die Hände und Lua zerquetscht mich fast in seiner Umarmung.
Er begleitet mich noch bis zur Straße und stellt mir eine letzte Frage.
»Eines möchte ich noch wissen, Ed.« Wir stehen ein paar Schritte voneinander entfernt.
»Was denn?«
Er geht noch ein bisschen weiter weg und bleibt dann im Dunkel stehen. Hinter uns beleuchten die Lichter immer noch voller Stolz die Nacht. Dies ist der Moment der Wahrheit.
Lua sagt: »Du hast nie in diesem Haus gewohnt, Ed, stimmt’s?«
Kein Schlupfloch ist in Sicht. Kein Ausweg.
»Stimmt«, sage ich.
Wir schauen einander an und ich kann die vielen Fragen in Luas Augen sehen. Er will gerade anfangen, sie zu stellen, da merke ich, wie er sich zurückzieht. Er hat Angst, das Glück mit überflüssigen Worten zu zerstören.
Was geschehen ist, ist geschehen.
»Mach’s gut, Ed.«
»Auf Wiedersehen, Lua.«
Wir geben uns noch einmal die Hand und gehen dann unserer Wege.
Am Ende der Straße, kurz bevor ich um die Ecke biegen muss, drehe ich mich noch einmal um und betrachte die Lichter.
8
Babel Street, Pommes frites, der Türsteher und ich
Es ist der heißeste Tag des Jahres und ich habe heute Tagschicht in der Stadt. Das Taxi verfügt über eine Klimaanlage, aber die geht schon am Vormittag kaputt, sehr zum Ärger aller Passagiere, die ich befördere. Ich warne jeden, der bei mir einsteigen will, aber nur einer steigt wieder aus. Es ist ein Mann, dem noch der letzte Zug an seiner Zigarette im Mund steht.
»Verdammter Mist«, sagt er zu mir.
»Stimmt genau.« Ich nicke und zucke mit den Schultern.
Der Stein, den Lua Tatupu mir gegeben hat, steckt in meiner linken Hosentasche. Er macht mich glücklich, während ich mich durch den schwärenden Stadtverkehr kämpfe, sogar wenn die Ampel auf Grün steht und die Autos trotzdem nicht fahren.
Kurz nachdem ich mein Taxi auf dem Parkplatz des Unternehmens abgestellt habe, kommt auch Audrey an. Sie kurbelt ihr Seitenfenster herunter, um mich zu begrüßen.
»Ich schwitze wie verrückt hier drin«, sagt sie.
Ich stelle mir den Schweiß auf ihrem Körper vor und wüsste gerne, wie er schmeckt. Mit ausdruckslosem Gesicht versinke ich in den Einzelheiten meiner Vision.
»Ed?«
Ihr Haar ist fettig, aber wunderschön. Herrlich blond, wie Stroh. Auf ihrem Gesicht verstreut sehe ich drei oder vier Sommersprossen. Noch einmal sagt sie: »Ed?«
»Sorry«, sage ich. »Ich habe gerade an etwas denken müssen.
« Ich schaue zur Seite, wo ihr Freund steht. »Er wartet auf dich.« Als mein Blick zu Audreys Gesicht zurückkehren will, verpasst er es und bleibt stattdessen an ihren Fingern kleben, die auf dem Lenkrad liegen. Sie sind entspannt und mit Sonnenlicht bedeckt. Und sie sind zauberhaft. Ob ihr Freund wohl solche kleinen Dinge bemerkt? , frage ich mich, aber ich spreche es nicht aus. Ich sage nur: »Ich wünsche dir einen schönen Abend«, und mache einen Schritt vom Wagen weg.
»Ich dir auch.« Sie fährt weiter.
Selbst später, als die Sonne untergeht und ich in die Stadt in Richtung Babel Street gehe, sehe ich Audrey noch vor mir. Ich sehe ihre Arme und ihre sehnigen Beine. Ich sehe ihr Lächeln,
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