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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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ist?«, fragt Audrey.
    »Die oberste«, antwortet Bernie. »Das ist keine von meinen.«
    Er geht hinüber und nimmt die Blechdose in die Hand. In der Mitte klebt ein Etikett mit einer Beschriftung. Ein einziges Wort in krakeligen Buchstaben: Ed .
    »Sollen wir sie einlegen?«
    Ich sage eine Weile lang nichts. Dann sage ich Ja.
    »Sie gehen besser wieder in den Kinosaal«, meint Bernie. »Von dort können Sie besser sehen.«

    Bevor ich gehe, stelle ich eine Frage, von der ich glaube, dass Bernie sie beantworten kann.
    »Warum, Bernie?«, will ich wissen. »Warum machen die das mit mir?«
    Aber Bernie lacht nur.
    Er sagt: »Sie begreifen immer noch nichts, Ed, nicht wahr?«
    » Was begreifen?«
    Er schaut mich an, und es dauert eine Zeit lang, bis er wieder spricht: »Sie tun es, weil sie es können.« Seine Stimme ist müde, aber ungeschminkt. Entschlossen. »Das alles wurde schon vor langer Zeit geplant. Vielleicht schon vor einem Jahr.«
    »Haben sie Ihnen das gesagt?«
    »Ja.«
    »Mit diesen Worten?«
    »Ja.«
    Wir stehen ein paar Minuten da und denken nach, bis Bernie uns nach unten scheucht. »Los jetzt«, sagt er. »Sie beide gehen wieder nach unten. In einer Minute habe ich die Rolle eingelegt.«
    Im Foyer lehne ich mich gegen die Tür. Audrey sieht mich an.
    »Ist es immer so?«
    »So oder ähnlich«, sage ich. Sie schüttelt nur den Kopf und schweigt. »Wir sollten reingehen«, sage ich zu ihr. Ich muss sie überreden. »Es ist fast vorbei«, sage ich und glaube, dass Audrey vermutet, ich würde über den Film reden.
    Und ich?
    Ich denke nicht mehr an Filme.
    Ich denke an gar nichts mehr.
    Außer an Karten.
    Außer an Asse.

K
    Die letzte Rolle
    Als wir den Gang entlang zu unseren Plätzen gehen, ist die Leinwand immer noch leer.
    Dann erwacht sie zum Leben. Die Szene ist in Dunkelheit gehüllt und ich sehe nur die Füße von jungen Männern. Laufen.
    Sie gehen auf eine einsame Gestalt weiter vorne auf der Straße zu.
    Eine Straße in dieser Stadt.
    Auch die Gestalt stammt von hier...
    Ich bleibe stehen.
    Abrupt.
    Audrey geht noch ein bisschen weiter. Dann dreht sie sich um und sieht, wie ich mit gebanntem Blick auf die Leinwand starre.
    Erst deute ich nur.
    Dann sage ich: »Das bin ich, Audrey.«
    Auf der Leinwand sehen wir die Dokumentation des Angriffs der Rose-Brüder und ihrer Freunde, die sich auf mich stürzen und mich auf den Asphalt prügeln.
    Ich stehe mitten im Saal und spüre die Narben auf meinem Gesicht.
    Meine Finger winden sich und brennen auf meiner heilenden Haut.

    »Das bin ich«, sage ich wieder. Diesmal ist es ein Flüstern. Neben mir fallen Audreys Augen in sich zusammen und weinen in dem dunklen Kinosaal.
     
     
    Die nächste Szene zeigt mich, wie ich mit all den Büchern aus der Bibliothek komme. Dann die Lichter in der Havanna Street. Nur eine einzelne Aufnahme, ohne Menschen, in der Nacht - die Kraft und die Herrlichkeit. Zuerst ist es dunkel und dann gehen sie an und strahlen durch den Kinosaal. Als Nächstes der Sturm auf der Veranda, ohne Worte. Ich sehe, wie meine Mutter mir stumm jene schmerzhaften Worte ins Herz stößt, mir beinahe das Gesicht damit aushöhlt. Dann gehe ich langsam weg, fast direkt in die Kamera hinein. Wir schauen zu, wie ich zum Kino in der Glass Street gehe.
    Als Letztes sehen wir einige Worte, die direkt auf die Filmrolle geschrieben wurden. Da steht:
    »Schwere Zeiten für Ed Kennedy. Gut gemacht, Ed. Es ist Zeit weiterzugehen.«
    Wieder Dunkelheit.
    Nur Dunkelheit.
     
     
    Ich kann meine Füße immer noch nicht bewegen. Audrey will mich wegziehen, aber es hat keinen Sinn. Ich stehe wie festgenagelt da und starre auf die Leinwand.
    »Setzen wir uns wieder hin«, sagt sie, und ich höre die Sorge in ihrer Stimme. »Ich glaube wirklich, es ist besser, wenn du dich hinsetzt, Ed.«
    Langsam hebe ich einen Fuß.
    Dann den anderen.

    »Darf ich den Film wieder laufen lassen?«, ruft Bernie zu uns hinunter.
    Audrey schaut mich mit fragenden Augen an.
    Ich hebe meinen Kopf leicht an und lasse ihn dann sinken, um Zustimmung anzudeuten.
    »Ja, Bernie!« Und zu mir gewandt: »Richtig so. Das wird dich auf andere Gedanken bringen.«
    Einige Sekunden lang überlege ich ernsthaft, wieder hinauszurennen und das ganze Haus zu durchsuchen, ob ich irgendwelche Spuren der Person finden kann, die hier gewesen ist. Ich will Bernie fragen, ob es wieder Daryl und Keith waren. Ich will wissen, warum Bernie erfahren hat, was er erfahren hat, und warum sie mich im Unklaren

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