Der Judas-Schrein
Gläsern, Servietten, Tabletts und Bierdeckeln gefüllten Regale unter dem Schanktisch. Basedovs Handy konnte unmöglich hier liegen, dazu war der Ton von zu weit weg erklungen, so, als sei das Handy hinter der Wand verborgen, oder gar …
Er starrte auf den Boden. In das Holz war ein faustgroßer Metallring eingelassen. Körner bemerkte die Fuge mit den quadratischen Ausmaßen und die Scharniere. Eine Kellerluke! Er fingerte den Ring aus der Vertiefung und zog die Falltür auf. Der Geruch von moderigem Holz und brackigem Wasser schlug ihm entgegen. Eine Stiege führte in die Dunkelheit hinab. Das wenige Licht, welches durch die Fenster in die Bar fiel, reichte gerade aus, um das Schimmern der Wasseroberfläche zu erkennen. Das gesamte Untergeschoss war überflutet, das Wasser reichte beinahe bis zur Kellerdecke.
Körner sah sich unter dem Tresen nach Kippschaltern um.
Einer aktivierte den Ventilator, ein anderer brachte eine Neonröhre über dem Barspiegel zum Flackern. Das Licht spiegelte sich in der schwarzen Brühe, Wellen kräuselten sich auf der Oberfläche. Dort unten musste das Handy liegen, es gab keine andere Möglichkeit. Ausgerechnet! Körner schlüpfte aus dem Regenmantel und warf ihn über den Tresen. Wie er es hasste, in ein feuchtes Kellerloch zu steigen.
Als er auf die erste Stufe trat, griff er sich unter die Achsel, schnippte den Daumenschnellverschluss auf und zog die Glock aus dem Schulterholster. Er stieg die Treppe weiter hinab; bereits auf der vierten Stufe umspülte die graue Brühe seine Schuhsohlen. Unter der Wasseroberfläche zeichneten sich die nächsten beiden Stufen ab, danach verschwanden die Holzsprossen in der Dunkelheit. Es ließ sich absolut nicht erkennen, was sich im Wasser befand, geschweige denn, wie weit sich der Keller unter der Bar ausdehnte. Rasch kletterte er die Treppe weiter hinunter. Das Wasser umschloss seine Beine und zog bleiern an der Hose. Als er bis zu den Oberschenkeln nass war, bückte er sich und stierte unter die Kellerdecke in den Raum. Es war nichts als Dunkelheit zu erkennen. Dieser Vorratskeller konnte sich weiß der Teufel wie weit erstrecken. Körner würde ihn durchschwimmen müssen, um ihn vollständig zu erkunden. Aber ohne Lampe wäre das sinnlos. Er würde einige Leute von der Feuerwehr in die Diskothek beordern müssen, damit sie den Keller durchkämmten. Er konnte sich schon Weißmanns Gesicht vorstellen, wenn er ihm eine Hand voll Männer abspenstig machte.
Körner wollte bereits umkehren, als er einen silbernen Schimmer an der Wand entdeckte. Er schirmte die Augen mit der Hand ab und blinzelte. Der Schein sah aus, als spiegele sich das Neonlicht auf einer Eisenstange, die aus der Wasseroberfläche ragte. Ein Stativ! Rasch kletterte er die Treppe hinunter. Als ihm das Wasser bis über den Bauch reichte, begann er schneller zu atmen. Die Kälte presste ihm den Brustkorb zusammen und im nächsten Moment klapperten seine Zähne aufeinander.
Noch eine Stufe tiefer, dann zog Körner ein Dreibeingestell mit einer auf dem Kopf montierten Digitalkamera aus dem Wasser, welche er sogleich erkannte. Um keine Fingerabdrücke zu verwischen, lehnte er Basedovs Stativ wieder an die Wand.
Philipp konnte sich später darum kümmern. Zumindest sah er, dass das Gehäuse eine kräftige Delle abbekommen hatte, außerdem hatte der Apparat zur Hälfte im Wasser gelegen. Keine Frage, die Kamera war im Eimer, und Basedov hatte sie bestimmt nicht in den Keller geworfen. Wer hatte den Apparat hier unten versteckt, und wohin war Basedov verschleppt worden? In diesem gefluteten Loch hätte er unmöglich überleben können. Und falls doch? Jedenfalls blieb Körner keine Zeit, um auf einen Feuerwehrtrupp mit Handlampen, Taucherbrillen und Atemgeräten zu warten. Er musste sich Gewissheit verschaffen, jetzt.
Er zog den Kopf ein und befand sich unmittelbar unter der Kellerdecke. Vorsichtig tastete er sich mit dem Fuß voran. Nach der letzten Sprosse stand er auf dem Boden. Das Wasser umspülte seine Brust und gluckste und schmatzte um ihn herum in der Dunkelheit. Durch die quadratische Öffnung in der Decke drang der flackernde Neonschein zu ihm hinunter. In einem Umkreis von wenigen Metern spiegelte sich das Licht auf den Wellen. Nachdem er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, glaubte Körner Holzmöbel und Stellagen zu erkennen, die aus der Kloake ragten. Wie sollte er hier etwas finden? In dem saukalten Wasser würde er es höchsten vier, fünf Minuten
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