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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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schob den Alten weiter vor sich her. Hinter sich hörte er Philipp würgen. Am Ende des verwinkelten Gebäudes öffnete Gehrer die Toiletten tür und betätigte den Lichtschalter. Eine nackte Glühlampe flackerte auf. »Hier starb der Junge.«
    Körner ließ den Ladenbesitzer los. Ein bissiger Uringestank schlug ihnen entgegen. Es war nichts weiter als ein mit grauen Kacheln gefliester Boden zu sehen, eine Klomuschel mit Wasserkasten, darüber ein gekipptes schmales Fenster. Die Toilettenwände waren mit Sprüchen beschmiert und im Klopapierhalter hing eine leere Hülse.
    Körner dachte an die Wunde in Mathias Krajniks Rücken. »Wer hat nach dem Tod des Jungen das Blut, die Knochensplitter, Haut- und Fleischteile weggewischt?«
    Gehrer bekam große Augen. »Ich sagte doch, der Kleine fiel einfach tot um!«
    »Mit einem Loch im Rücken, so groß wie ein Basketballkorb?«
    Philipp drängte sich an Gehrer vorbei auf die Toilette. Mit dem Fuß schob er den Klobesen zur Seite, kniete sich in der engen Kabine nieder und tastete mit der Hand die Wand ab.
    Körner leuchtete alle Stellen des Klos mit der Lampe aus. »Sie wundern sich gar nicht, wonach wir suchen?« Aus dem Augenwinkel schielte er zu Gehrer, der nicht antwortete, sondern betroffen zu Boden starrte.
    »Sie wissen verdammt gut, welcher Spur wir hinterherjagen!«, stellte Körner fest. Er hielt dem Alten Daumen und Zeigefinger unmittelbar vor das Gesicht. »Wir sind so knapp davor, alles rauszufinden. Wir stehen kurz davor, Ihr beschissenes Geheimnis aufzudecken, und dann sind Sie dran.«
    Gehrers verzweifelter Blick huschte für den Bruchteil einer Sekunde in die Kabine. Körner war es nicht entgangen, vielmehr hatte er auf einen derartigen Hinweis gewartet.
    »Phil, du suchst auf der falschen Seite.« Körner zeigte ihm die Stelle, wohin Gehrer geschielt hatte.
    Philipp drehte sich ächzend auf die andere Seite, um die entsprechende Stelle neben dem Türstock abzutasten. »Oh, Scheiße!«, entfuhr es ihm. »Hier ist es! Weich wie ein Schwamm!« Er bohrte den Finger in die Kunststoffwand. Dahinter musste sich die Hausmauer des Gebäudes befinden.
    »Tun Sie es nicht!«, jammerte Gehrer. »Bitte nicht!«
    »Was denn?« Körner packte Gehrer am Kragen. »Markiert ihr eure Tatorte mit einem Magnet in der Wand? Habt Ihr Kameras in den Wänden installiert? Oder ein Stromfeld angelegt? Wir reißen die Wand weg, dann finden wir es heraus!«
    Gehrer presste die wässrigen Augen zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Philipp erhob sich und trat an Körners Seite. »Wir haben keinen Durchsuchungsbefehl«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Die eingetretene Tür sollte genügen.«
    Körner atmete tief durch und ließ den Mann los. Gehrer wischte sich mit zittrigen Fingern die Tränen aus den Augen. Da blitzte das gelbe Licht einer Warnblinkanlage durch das Fenster. Ein Lastwagen preschte durch die Seitengasse, dass das Wasser bis zum Toilettenfenster spritzte.
    »Was ist draußen los?«
    »Das sind die Tankwagen. Wir stehen knapp vor einer Ölpest.« Mit einem Mal wurde Gehrer redselig, als sei er froh darüber, endlich das Thema wechseln zu dürfen. »Die aufgeschwemmten Benzintanks der Tankstelle drohen unter dem Wasserdruck zu bersten. Tausende Liter Treibstoff wurden in den Tankwagen gepumpt. Die Feuerwehr weiß nicht wohin mit dem Zeug.«
    Körner und Philipp stürzten an dem Alten vorbei, durch den Verkaufsraum aus dem Laden hinaus. Zwei Tankwagen mit gelber Blinkanlage kurvten über den Hauptplatz. Das Regenwasser stand knöcheltief über den Pflastersteinen, und noch immer schüttete es wie aus Kübeln. Körner hätte nicht gedacht, dass es noch schlimmer kommen konnte, doch wie es schien hatte der Himmel noch genug Wasser, um den gesamten Ort zu überfluten. Da erinnerte er sich an Pater Sahms Worte aus Sabriskis Erzählung. Das ist die Rache, unser Fluch, Gottes Abrechnung.
    Körner blickte zur der verwinkelten Kirche hinauf. Der Vollmond verbarg sich halb hinter den Wolken und goss rötliches Licht auf das Gebäude. »Sehen wir uns den dritten Tatort an.«
     
    Vollkommen durchnässt erreichten sie die Kirche. In dem Gemäuer herrschte eine Kälte, die Körner frösteln ließ. Während er sich das Regenwasser aus dem Gesicht wischte, ging er entschlossen den Mittelgang entlang. Die Kirche sah noch genauso aus wie vor dreißig Jahren. Zwei Seitenschiffe mit jeweils sechs Bankreihen bildeten den Hauptteil. In der Mitte befand sich der Altar mit dem

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