Der Judas-Schrein
Krajniks wurden vermutlich von demselben … hm … Etwas getötet.«
»Von demselben Etwas? Jana, ich bitte dich.« Da begannen die Glühbirnen im Zimmer zu flackern. Im nächsten Augenblick fiel der Strom aus. Es war stockdunkel, sogar die rote Lampe des Heizstrahlers erlosch.
»Da haben wir den Salat!« Körner stieg aus dem Bett und tastete sich an Nachtschrank und Waschbecken endang zur Tür. »Philipp hat prophezeit, dass nach der Wasserversorgung und der Telefonverbindung auch noch der Strom ausfallen wird.«
Er zog die Tür auf und blickte in die Dunkelheit. Im Feuerschein eines Streichholzes sah er Philipps bärtiges Gesicht. Der Spurensicherer stand ebenfalls mit Hose und nacktem Oberkörper in der offenen Tür seines Zimmers und spähte in den Gang.
Durch die knarrende Nebentür trat jemand in den Korridor. »Stromausfall?« Es war Bergers Stimme.
»Kluges Kind«, murrte Philipp.
»Pssst!«, zischte Körner. Im unteren Stockwerk hörte er die Dielen knarren. Jemand stieg mit einem dreiarmigen Kerzenständer die Treppe hinauf. Das Licht wankte auf und ab.
»Keine Sorge«, hörten sie Waltraud Stoißers Stimme. »Die Umspannwerke sind überflutet. Einige Ortsteile sind ohne Stromversorgung. Die Gasleitungen sind ebenfalls beschädigt, aber wir bekommen das schon hin.«
Die Wirtin wanderte mit dem Kerzenständer durch den Gang und öffnete die Abstellkammer. »Ohne Strom wird es heute Nacht ziemlich kalt.« Sie stellte den gusseisernen Ständer auf den Schrank und öffnete eine Truhe, worin sich dicke Wolldecken und einige Sechserpackungen Kerzen befanden.
»Meine Güte, sind Sie gut ausgerüstet!« Philipp trat an ihre Seite, um zu helfen, die Kerzen und Decken zu verteilen.
»Das passiert ja nicht zum ersten Mal, doch so schlimm wie diese Woche war es noch nie.« Die Wirtin reichte Philipp einen Stapel Wolldecken. »Bevor die Mauern des Trieracher Stausees bersten, werden die Wehrklappen und danach die Schleusen geöffnet. Von Heck, unserem Feuerwehrhauptmann, weiß ich, dass unvorstellbare Wassermassen auf uns zukommen, aber unsere Hochwassersperre reicht nur noch für einen Anstieg von knapp zehn Zentimetern. Doch hier im ersten Stock kann uns nicht viel passieren.« Sie streckte das Kreuz durch und versuchte zu lächeln. Danach wünschte sie ihnen eine angenehme Nacht und verschwand mit dem Kerzenständer im Treppenhaus.
»Wie romantisch.« Philipp zündete eine Kerze mit dem Streichholz an. »Keine Heizung, kein Warmwasser, kein Fernsehgerät. Hier sind wir wirklich am Arsch der Welt. Ich wünsche euch eine gute Nacht.« Er zog die Tür hinter sich zu.
»Bis morgen.« Berger verschwand ebenfalls in ihrem Zimmer.
»Sperrt eure Zimmer ab!« Körner hoffte, sie hatten es gehört. Er blieb im Gang stehen und starrte in die Dunkelheit.
»Was ist? Kommst du nicht rein?«, rief Sabriski.
Er trat die Tür mit dem Fuß zu und warf das Bündel Decken aufs Bett.
»Aua!« Sabriski kicherte in der Dunkelheit. Dann rollte sie sich aus dem Bett, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. »Hast du noch immer Angst vor dem Feuer? Soll ich die Kerze anzünden?« Sie nahm ihm die Packung aus der Hand und wickelte die Kerzen aus. Mit dem silbernen Benzinfeuerzeug aus ihrem Rucksack zündete sie den Docht an.
Er starrte gebannt in die Flamme. Sabriski stellte die Kerze auf die Ablagefläche des Waschbeckens, sodass der Spiegel das Feuer reflektierte.
»Nimmst du dir keine Kerzen in dein Zimmer?«, fragte er verblüfft.
»Willst du mich loswerden?« Sie drehte den Schlüssel im Schloss, sprang ins Bett und schlüpfte mit den Füßen unter die Decke. »Heute Nacht wird es bestimmt bitterkalt … ich bleibe lieber hier.« Sie rieb sich die Handflächen.
Er ließ sich nachdenklich auf das Bett sinken. Ihm schien, sie fand die Situation lustig, dabei konnte sich der Fall zu einem Kampf ums Überleben entwickeln. Er dachte an Verena. Den gesamten Tag hatte er sie weder angerufen noch besucht, dabei lebte sie nur einige Kilometer weit entfernt. Wie erging es ihr? War ihr kalt? Fror sie und kuschelte sich gerade in eine Decke gehüllt zu ihrer Mutter ins Bett? Er fragte sich, ob sie in diesem Augenblick an ihn dachte.
Sabriski rückte näher und kraulte mit dem Fingernagel seine Brusthaare. »Komm«, schnurrte sie.
Sein Rücken verkrümmte sich unwillkürlich. »Ich kann nicht«, brachte er hervor.
»Verstehe.« Sabriski streichelte ihm über die Schulter und gab ihm einen Kuss.
Nichts verstand sie. Es lag nicht
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