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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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die Körner das Leben retten und dem Wahnsinn in Grein ein Ende setzen konnten. Doch wie sollte er Verbindung mit Heck aufnehmen?
    Der Doktor kam auf Tuchfühlung heran, bis Körner seinen
    Schweiß roch, das Rasierwasser und den Mief nach Salben und Injektionsmitteln, der im Arztkittel nistete. »Ich habe von der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erhalten.« Im trüben Licht, welches durch das Fenster fiel, wirkte Webers pockennarbiges Gesicht wie eine Kraterlandschaft. Die Haare standen ihm wirr vom Kopf, seine Augen waren gerötet und ein Dreitagebart schattierte Kinn und Wangen.
    Der Arzt kramte ein Papier aus der Manteltasche, das er vor Körners Augen zerriss. »Der nützt Ihnen aber nichts mehr.«
    Eine zweite Gestalt tauchte hinter Webers Rücken auf. Körner blickte direkt in ein rundes Gesicht mit Knollnase. Der Dorfgendarm trug seine grüne Uniform ziemlich schlampig, den Hemdkragen offen, den Krawattenknoten locker gebunden. Alois Friedl fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich bin vom Landesgendarmeriekommando Wien über Ihre Suspendierung informiert worden. Frau Koren hat mich gestern Nachmittag angerufen, unmittelbar nachdem Sie das Handygespräch mit ihr unterbrochen hatten. Sie hätten auf Ihre Chefin hören sollen.«
    Weber richtete sich vor Körner auf, indem er sein Kreuz durchstreckte. »Sie wissen gar nicht, welche Genugtuung es mir bedeutet, Sie endlich so vor mir sitzen zu sehen.«
    Ein dritter Mann stapfte in den Raum. »Raus hier!«, donnerte seine Stimme.
    Weber verschwand mit Friedl aus der Küche, um die Arena für Weißmann zu räumen. Der Bürgermeister schloss die braune Kunststofffalttür zum Gang, ging einmal um Körners Stuhl herum, überprüfte die Fesseln an den Hand- und Fußgelenken und zog sich schließlich einen Stuhl heran.
    »Eine dunkle Stunde in Ihrem Leben …« Weißmann entzündete eine Kerze, die er mit Wachs auf den Geschirrspüler klebte.
    Körner beobachtete ihn. Was hatte der alte Bastard mit ihm vor?
    »Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie nach Antworten dürsten, aber ich werde sie Ihnen nicht geben … Sie würden die Zusammenhänge ohnehin nicht begreifen.« Der Bürgermeister blickte wachsam von einer Ecke des Raumes zur anderen. Der Kerzenschein verfing sich in seinem silbergrauen Bart, was ihm die Gefährlichkeit und Gerissenheit eines alten grauen Wolfs verlieh.
    »Sie hätten nicht die Kirche besuchen, den alten Gehrer unter Druck setzen, die Kinder exhumieren und in der Diskothek herumschnüffeln dürfen, ganz zu schweigen davon, Türen einzutreten und Mauern niederzureißen. Sie haben bereits zu viel herausgefunden und wissen also wo es ist.«
    Weißmann starrte zu dem Wandloch. »Körner, Körner, Sie können sich nicht beugen. Dabei wäre alles so einfach gewesen. Wir haben der Kripo einen Schuldigen geliefert: Martin Goisser. Er hat ohnehin zu viel über Pater Dorn und das Grubenunglück gewusst. Wir mussten ihn beseitigen und seine Unterlagen aus der Dachbodenkammer verschwinden lassen, womit wir zwei Fliegen auf einen Streich erledigten. Wir haben alle Spuren beseitigt - sogar die Geburtsdaten auf den Totenscheinen entfernt, damit niemand den Zusammenhang erkennen würde. Wie sind Sie uns dennoch auf die Schliche gekommen?«
    Dennoch? Körner ließ sich nichts anmerken. Deshalb hatten sie ihn also am Leben gelassen. Sie wollten wissen, wo sich die Schwachstelle, die Lücke in ihrem Spiel aus Lüge und Vertuschung befand. Dabei war alles so einfach: Sabine Krajniks Tagebuch hatte ihn auf Martins Recherchen aufmerksam gemacht - und dann war da noch das Tagebuch des Messdieners, welches Martin im Kirchenarchiv versteckt gehalten hatte. Nur zu gern hätte Körner den Kopf gedreht, um einen Blick auf den Küchentisch zu werfen, ob das Buch immer noch dort lag. Es barg den Schlüssel zu dieser verworrenen Geschichte. Doch Weißmann überschätzte Körners Kenntnisse, denn noch hatte er keine Ahnung, wie der Mord an Pater Dorn, das Grubenunglück und die toten Krajnikkinder zusammenhingen. Zuvor musste er noch die ihm fehlenden Tagebuchseiten lesen. Doch bevor er das zugab, würde er sich die Zunge abbeißen. Im Moment schien Schweigen über die ihm ohnehin unbekannten Zusammenhänge seine einzige Überlebensgarantie zu sein. »Sie stecken ganz schön in der Scheiße«, flüsterte Körner.
    Weißmann nickte, als habe er keine andere Reaktion erwartet. »Wenn Sie nicht reden wollen, werde ich Ihnen stattdessen etwas über Sie und Ihre

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