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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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die Geräte auf der marmorierten Arbeitsfläche vor ihm die Formen einer Kaffee- und einer Brotschneidemaschine an. Ein herumschweifender Blick ließ ihn erkennen, dass die Erlebnisse, die sich in der Küche zugetragen hatten, kein böser Traum gewesen waren wie in den Nächten zuvor. An der Glasfront des Elektroherdes klebte eingetrocknetes Blut, der Gaskocher lag auf dem Boden, und wenn Körner den Kopf so weit drehte, bis sein Genick schmerzte, konnte er sogar das Loch im Mauerwerk erkennen. Marias Leiche fehlte, bloß eine Blutspur am Boden führte in den Gang hinaus. Bestimmt hatte sie jemand an den Beinen aus der Küche gezerrt.
    Er selbst war zum Mörder geworden - dies war sein nächster
    Gedanke - dennoch hatten sie ihn am Leben gelassen. Er hob den Kopf. Höllische Schmerzen pochten hinter seinen Schläfen. Sein Gaumen war trocken wie Leder. Die Wanduhr zeigte zehn Minuten nach zwei. Er war knapp zwei Stunden bewusstlos gewesen. Über den Hügeln jenseits der Fenster hingen schwarze Gewitterwolken, die nur ein trübes Zwielicht zuließen. Als er aufstehen wollte, merkte er, dass er mit den Händen am Rücken an einen Stuhl gefesselt war. Seine Hände waren eingeschlafen, die Finger nahezu unbeweglich. Ein Nylonfaden schnitt ihm in die Handgelenke und rieb sich umso tiefer in die Haut, je mehr er daran zerrte. Er versuchte, Speichel im Mund zu sammeln. Was würde er für einen Schluck Wasser geben! Doch der Wasserhahn war zu weit entfernt, und er war unfähig, sich zu bewegen.
    Körner sah an sich hinunter. Jedes Fußgelenk war an ein Stuhlbein gefesselt Darüber hinaus hatte ihm jemand den linken Pulloverärmel bis zur Schulter hochgerollt und die Stichwunde am Oberarm mit einem Druckverband versorgt. Weshalb pflegten sie ihn wie einen Patienten? Was hatten sie mit ihm vor? Wo war Sabriski?
    »Er ist munter«, raunte eine Stimme.
    Im Türrahmen stand eine Gestalt. Körner sah nichts weiter als eine graue Silhouette, die einen Kittel trug, doch Webers Stimme war unverkennbar. Körner wollte ihm etwas entgegnen, brachte allerdings nur ein Krächzen hervor. Aus dem Wohnzimmer drang leises Weinen.
    »Jana«, flüsterte er.
    Weber trat mit einem humpelnden Schritt in den Raum. Sein Kopf lag im Schatten. Der Arzt schüttelte den Kopf. »Das ist nicht Ihre Kollegin. Mit zwölf Milligramm Valium im Körper bekommt man keinen Ton heraus.«
    Das Wimmern hielt an. »Wer?«, keuchte Körner.
    »Ihre Tochter!«
    »Sie verdammtes Schwein!« Körner zerrte an den Fesseln, schnürte sich die Nylonfäden aber nur noch tiefer ins Fleisch.
    Weber holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Sogleich schmeckte Körner Blut auf der Lippe. Er reckte den Kopf, um einen Blick in den Vorzimmerspiegel zu erhaschen, sah jedoch keine Spur von Verena.
    »Bleiben Sie ruhig, dann wird niemand verletzt«, mahnte ihn Weber.
    »Papa! Papa!« Verenas Stimme überschlug sich.
    Körners Brustkorb wurde fast zu eng zum Atmen. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte Weber mit bloßen Händen den Kehlkopf zerquetscht.
    Der Arzt steckte den Kopf ins Nebenzimmer. »Bring die Kleine weg!«, befahl er, um sich anschließend wieder Körner zu widmen. »Bleiben Sie vernünftig, im Moment haben wir alles unter Kontrolle.«
    Die Eingangstür wurde von einem Mann geöffnet, der ein zappelndes Mädchen in Jeans und Pullover aus der Wohnung führte. Einen Augenblick lang sah Körner den pilzförmigen Haarschopf seiner Tochter.
    »Papa, ich w…« Der Kerl hielt ihr grob den Mund zu. Im nächsten Moment krachte die Tür hinter ihm zu.
    »Wohin bringt Ihr sie?«
    »An einen sicheren Ort.«
    In die Klauen welchen Monstrums war Verena da geraten? Schlimme Erinnerungen schwirrten Körner durch den Kopf. »Sie haben der Reporterin von der Neunkirchener Rundschau zweihundert Milliliter Acutard injiziert!«, presste er hervor. »Die Frau hat sich die Pulsadern aufgeschnitten!«
    »Na, na, ganz so war es nicht, wir mussten etwas nachhelfen«, antwortete Weber kalt.
    Körners Augen wurden groß. Der Arzt begann zu schmunzeln, als er die Reaktion bemerkte. »Wie Sie sehen, haben auch wir Kontakte.«
    Körner wurde schwindelig. Der Mistkerl gab alles zu. Das konnte nur bedeuten, dass sie ihn nicht am Leben lassen wollten und genauso töten würden wie Basedov, Berger und Philipp. Körner durfte sich von keinem einzigen Ortsbewohner Hilfe erhoffen, nur Wolfgang Heck fiel ihm ein, sein ehemaliger Schulfreund. Als Feuerwehrhauptmann verfügte er bestimmt über Beziehungen,

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