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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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spreche von den früher verstorbenen Geschwistern.« Körner setzte sich auf die Tischkante. »Mathias Krajnik starb vor vier und Carina vor zwei Jahren.«
    Die Augenbrauen des Arztes hoben sich. »Sie wühlen die Vergangenheit der Krajniks auf«, stellte er vorwurfsvoll fest.
    »Das ist unser Job. Woran starben die Kinder?«
    »Ich vermute, Ihnen liegen die Totenscheine bereits vor. Weshalb fragen Sie mich? Es steht alles in den Papieren. Ich nehme an, Sie können lesen.«
    »Ich will es von Ihnen hören.« Unbeeindruckt musterte Körner den Arzt.
    Weber steckte die Hand in die Kitteltasche und starrte zur Decke. »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen als im Bericht seht. Der Junge war kurz vor Geschäftsschluss im Laden am Hauptplatz gestorben. Gehrer hatte mich damals verständigt.«
    Körner erinnerte sich an den Namen. Als er ein Junge gewesen war, hatte ihn seine Mutter regelmäßig mit dem Fahrrad zu dem Krämerladen einkaufen geschickt. Gehrer hatte bereits damals hinter der Kasse gestanden und ihm stets Colaschlecker und Brausetabletten über den Tresen gereicht.
    »Und Carina?«, fragte Körner.
    »Das Mädchen ist während der Messe in der Kirche gestorben. Herzstillstand. Beide sind einfach tot umgefallen.«
    »Einfach tot umgefallen, so wie Sabine Krajnik?« Körner schüttelte den Kopf. »Im Krämerladen, in der Kirche und in der Kneipe - hier ist doch etwas faul!«
    Der Arzt lächelte mitleidig. »Wo liegt das Problem? In beiden Fällen gab es Dutzende Zeugen, die Kinder hatten einen Herzfehler und klappten zusammen. So etwas kommt vor.«
    »Und beide exakt an ihrem vierzehnten Geburtstag, so ein Zufall.«
    Weber zuckte mit den Achseln. »In der Medizin gibt es merkwürdigere Zufälle als diesen.«
    »Beispielsweise den, dass jemand das Geburtsdatum der Krajnikgeschwister auf den Totenscheinen verschwinden lässt? Meinen Sie das?«
    Der Arzt schwieg.
    »Haben Sie die Daten manipuliert?«, bohrte Körner weiter.
    Der Arzt lachte auf. »Die Geburtsdaten werden gemeinhin nachgetragen sobald die Polizei die Leichen identifiziert hat. Vielleicht wurde es in diesem Fall vergessen.«
    »Es wurde nicht vergessen«, widersprach ihm Körner. »Die Daten wurden mit Tipp-Ex entfernt.«
    »Ich schlage vor, Sie lassen das Gerede. Worauf wollen Sie hinaus?« Weber fixierte Körner angriffslustig.
    »Zeigen Sie uns Ihre Valium-Vorräte!«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
    »Brauchen wir einen?«
    »Bin ich verdächtig?«
    »Nennen Sie mir einen Grund, weshalb Sie es nicht sein sollten!« Körners Herz trommelte wie seine Fäuste, wenn sie den Sandsack bearbeiteten. Ihm wurde erst jetzt bewusst, wie sehr er den Arzt hasste. Es war nicht nur die selbstgefällige Art des Mediziners, sondern auch der großkotzige Tonfall, in dem er sich über ihn lustig machte. Er mochte es nicht, verarscht zu werden. Immerhin ermittelte er in einem Mordfall.
    »Bin ich verdächtig?«, wiederholte Weber die Frage in einem herausfordernden Ton.
    »Bis vor kurzem waren Sie es nicht - seit einer Minute sind Sie es!« Körner biss sich auf die Lippe. Verdammt, es war ein Fehler gewesen, dem Arzt die Wahrheit auf die Nase zu binden, doch er hatte seine Empfindungen kaum noch unter Kontrolle.
    Weber lächelte unbeeindruckt. »Dann darf ich Sie jetzt bitten, meine Praxis zu verlassen. Das Gespräch ist zu Ende und ich habe zu tun.« Er deutete zur Tür.
    Sonja Berger, die bis dahin stumm hinter Körner gestanden hatte, nahm die Hände aus den Jackentaschen und räusperte sich. »Mit den Fakten, die wir bisher über den Fall haben, lässt sich ein Durchsuchungsbeschluss mühelos erreichen. Der Staatsanwalt erteilt uns sofort einen mündlichen Durchsuchungsbefehl, der Ihnen binnen achtundvierzig Stunden schriftlich zugestellt wird.«
    Weber schmunzelte. »Sie kennen die Rechtslage genauso gut wie ich, junge Frau. Wenn Sie meine Praxis durchsuchen möchten, muss jemand von der Ärztekammer dabei sein. Treiben Sie mal jemanden auf, der bei diesem Sauwetter hier rauskommt. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Der Kerl war gewitzt. Körner öffnete den Mund. »Ich …«
    Berger unterbrach ihn mit sanfter Stimme. »Ich verstehe Ihre Bedenken, Herr Doktor. Aber schließlich handelt es sich nicht um Morphium. Valium fällt nicht unter das Suchtgift-Gesetz. Wir können die Sache ohne großen Rummel erledigen, aber wenn Sie auf den Trubel mit Staatsanwalt, Durchsuchungsbefehl und Ärztekammer bestehen, können wir das gern arrangieren. Wäre es Ihnen

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