Der Judas-Schrein
Dachbodengalerie blickten. Das Zimmer war mit Folie ausgelegt, worauf die Inhalte der Koffer ausgebreitet lagen.
Körner schwieg, er nahm Philipp nicht weiter ernst. Jeder wusste, er konnte nicht beginnen, ohne mindestens einmal darauf hinzuweisen, wie schwierig ihm die Arbeit von allen Seiten gemacht wurde.
Körner verschränkte die Arme vor der Brust. »Sei froh, diesmal ist kein Hund durchs Zimmer gelaufen.«
»Stattdessen hat jemand vor die Tür gekotzt«, stellte Philipp fest, während er die Fingerabdrücke des Toten nahm. »Ich habe übrigens die Leiche des Mädchens einem Verdampfungsverfahren unterzogen, wie du es vorgeschlagen hast. Hätte ich mir sparen können! Kein einziger Fingerabdruck. Auch am Zylinderschloss der Diskothek hat niemand gefummelt. Es wurde sauber mit einem Dietrich geöffnet.«
Berger runzelte die Stirn. »Wer im Ort könnte eine solche Ausrüstung besitzen?«
»Die Feuerwehr, eventuell ein Installateur für Noteinsätze oder unser Elektriker Hermann Goisser«, murmelte Körner. »Am ehesten aber unser Dorfgendarm mit der Knollnase.«
»Der ist als Täter unwahrscheinlich.«
Körner brummte. »Was ist schon wahrscheinlich?« Mit dem Gendarmen und Dorfarzt Weber hatte er bereits zwei Verdächtige, bei vermutlich drei Tätern. Einer fehlte noch. Jedenfalls freundete er sich immer mehr mit Sabriskis und Philipps Theorie an, derzufolge mindestens drei Mörder Sabine Krajnik umgebracht hatten.
Er beobachtete, wie Philipp ein weißes Pulver über die Computertastatur streute. »Das Gerät nehmen wir als Beweismaterial in Verwahrung«, wies er den Spurensicherer an. »Ich bin mir sicher, wir finden Hinweise in den Dateien. Außerdem möchte ich wissen, ob jemand daran gefummelt hat.«
»Ja, ja«, murrte Philipp. »Ich mach meine Arbeit, und du deine.«
Basedov klappte indessen das Stativ auseinander, montierte das Blitzlicht und fotografierte die Leiche. »Ich habe schon einige Selbstmörder in ihrer Wohnung geknipst, doch noch nie habe ich ein Zimmer betreten, das so unordentlich aussah. Man könnte glauben …«
»Das war kein Selbstmord!«, unterbrach ihn Philipp. »Der Junge hat sich den Strick nicht selbst um den Hals gelegt.«
Basedovs Mund klappte auf. »Das sagt ihr mir erst jetzt?«
»Jemand hat den Jungen ermordet, einen fingierten Abschiedsbrief hinterlassen und anschließend das Zimmer durchwühlt«, fasste Körner seine Erkenntnisse zusammen.
»Mir brauchst du das nicht klarzumachen.« Philipp schüttelte abfällig den Kopf.
»Ich sag es auch nicht dir!« Körner wurde laut. »Dich wagt man ja kaum anzureden, weil du so viel um die Ohren hast!«
»Huuuh, heute mal wieder schlecht geschlafen«, mischte sich Sabriski in das Gespräch.
Körner antwortete nicht. Gestern Nachmittag hatte sie ihn noch angefleht, er solle auf sich aufpassen, und heute war sie schon wieder die scharfzüngige Pathologin mit dem Skalpell.
»Wonach hat der Mörder eigentlich gesucht?«, fragte Basedov.
»Denk nach! Woher zum Teufel sollen wir das wissen?«, brauste Philipp auf. Basedov senkte den Kopf und korrigierte die Einstellungen an der Kamera.
Was war bloß los mit ihnen? Körner wandte sich ab. Weshalb waren sie so gereizt? Da fiel ihm sein eigenes Gespräch mit dem Dorfarzt ein. Er selbst war auch nicht gerade die Ruhe in Person gewesen. Lag es am Wetter oder am Ort? Zermürbte sie die Gegend? Einzig die Kriminalpsychologin schien noch halbwegs gelassen.
»Wie rasch können Sie die exakte Todeszeit bestimmen?«, fragte Berger die Gerichtsmedizinerin.
Sabriski warf sich mit einer energischen Bewegung das Haar über die Schulter. »Schätzchen, es gibt keine exakte Todeszeit.« Sie kletterte auf die Aluleiter, öffnete die Hose des Jungen und führte ein Thermometer in das Rektum der Leiche.
Berger blickte zur Seite. »Der Junge wäre ein wichtiger Zeuge gewesen. Sabine Krajnik hat ihr letztes Telefonat mit ihm geführt. Wir hätten ihn gestern Abend verhören sollen, dann wäre er vielleicht heute noch am Leben.«
Sabriski nickte, als habe sie verstanden. »Ich kann den Zeitpunkt auf Grund der Auskühlung der Leiche nur annähernd bestimmen. Der Temperaturabfall im Enddarm ist mein Richtwert.« Sie nahm weitere Messungen vor, schließlich sagte sie: »Gegen 22.00 Uhr, plus oder minus eine Stunde.« Sie richtete den Finger auf die Kriminalpsychologin. »Aber nageln Sie mich nicht fest, das sind vorläufige Daten.«
Berger biss sich auf die Lippen. »Wir wären rechtzeitig
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