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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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gekommen«, flüsterte sie Körner zu.
     
    Körner fröstelte. Es war kurz vor 14.00 Uhr und er stand im Regenmantel unter dem Vordach des Goisserhauses. Der Atem stieg ihm vor dem Gesicht auf. Soeben hielt ein Kleinbus auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor Doktor Webers Arztpraxis. Die Hecktür flog auf und ein gutes Dutzend Rot-Kreuz-Helfer sprang in den Regen. Die Männer zogen sich die Jacken über den Kopf und stürzten in die Praxis, wo ihnen der Arzt eine Tetanus-Auffrischungsimpfung verpassen würde.
    Gleichzeitig krachte die Tür des Leichenwagens ins Schloss, der neben dem Goissergrundstück in einer Seitengasse parkte. Der Fahrer startete, scherte in weitem Bogen aus und fuhr Richtung Ortszentrum und Brücke. Körner tippte sich zum Gruß an die Stirn. Die Fahrt ging zur Wiener Pathologie in der Sensengasse.
    Im nächsten Moment stolperte Philipp fluchend aus dem Haus, die Hände voll gepackt mit Koffern und die Aluleiter unter den Arm geklemmt. »Hilf mir mal!« Gemeinsam trugen sie die Sachen zu seinem Kastenwagen. Basedovs Stative lagen bereits im Heck.
    »Bin neugierig, weswegen du uns morgen holst«, keuchte Philipp. »Dieser Ort ist schlimmer als das Kaff, aus dem die Manson-Familie stammt.«
    »Ich bin hier aufgewachsen«, antwortete Körner.
    »Der war gut.« Philipp lachte lauthals auf und schlug ihm auf die Schulter.
    Körner sah ihn verwirrt an. Dachte Philipp etwa, er habe einen Scherz gemacht? Basedov und Sabriski kamen aus dem Haus. Rasch luden sie die Kameras und Koffer in den Wagen. Anschließend sprangen sie hintereinander in die Fahrerkabine.
    Bevor Philipp den Motor startete, kurbelte Sabriski das Fenster runter und sagte: »Ach ja, übrigens wollte ich mir die Autopsieberichte der beiden Fälle ’96 in Krems und ’98 in Gmunden aus dem Archiv holen, doch sämtliche Unterlagen, die mit den Fällen zu tun haben, sind mit einem Sperrvermerk versehen und zur Verschlussakte erklärt worden.« Sabriski zog die Schultern hoch. »Ich kann keine Einsicht nehmen. Tut mir Leid.« Sie kurbelte das Fenster rauf und Philipp fuhr los.
    Körner sah dem Wagen nach, wie er im Regen verschwand. Eines war klar, er würde mit dem Staatsanwalt reden müssen. Doch zuvor hatte er ein noch dringenderes Gespräch zu führen.
     
    11. Kapitel
     
    Körner rannte unter das Vordach, zog das Handy aus der Manteltasche und rief seine Kontaktperson bei der Telekom an: Sybille, Rolf Philipps Exfreundin. Er gab ihr Martin Goissers Telefonnummer durch und bat sie um eine Liste der Gespräche des gestrigen Tages. Irgendwie musste er die letzten vierundzwanzig Stunden von Martins Leben rekonstruieren. Als er auflegte, hörte er Berger, die hinter ihm im Vorraum stand, sich räuspern.
    »Ich habe gehört, worüber Sie eben gesprochen haben.« Sie trat an seine Seite.
    »Falls die Information brauchbar ist, werden wir sie verwenden und uns Ende Oktober die Daten offiziell von der Telekom besorgen. Bis dahin ist es besser, Sie vergessen, was Sie gerade gehört haben.«
    »Schon passiert.«
    Er hoffte, dass sie sich auch nächsten Montag nicht daran erinnern würde, wenn sie zu ihrer gerichtlichen Vorladung erschien. Die Anhörung zu einem Disziplinarverfahren war kein Kaffeekränzchen und die Mitglieder der Kommission würden sie zu sämtlichen Details seiner Ermittlungsmethoden befragen. Wenn er den aktuellen Fall bis dahin gelöst hatte, war er halbwegs aus dem Schneider. Falls nicht…
    »Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
    Körner fuhr herum. »Wir warten ab, was uns die Telekom und Martins Computer verraten. Außerdem möchte ich wissen, was der Junge im Kirchenarchiv getrieben hat.« Er ging über die Wiese und öffnete das Gartentor. Vor seiner Nase bremste ein weinroter Kastenwagen. Philipp sprang heraus und lief fluchend um die Motorhaube herum.
    »Hast du etwas vergessen?«, fragte ihn Körner.
    »Von wegen vergessen!«, brüllte Philipp und stapfte in eine Lache, sodass Körner Regenwasser auf die Hose spritzte.
    »He, beruhige dich!«, rief Körner.
    Sabriski kurbelte das Fenster runter. »Die Feuerwehr hat den Leichenwagen durchgelassen, anschließend haben sie die Brücke gesperrt. Wir kamen nicht einmal in die Nähe. Die Wiese vor der Auffahrt steht komplett unter Wasser. Die Flut ist so hoch angestiegen, sie spült bereits über die Brücke. Nur das Holzgeländer ragt noch aus dem Wasser. Die Brücke kann jeden Moment weggerissen werden.«
    Körner deutete die Straße hinauf, die am Friedhof und

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