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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gesicht wurde ganz still. Mit einer leisen, wilden Innigkeit sagte sie: »Ich will, daß der Tempel Jahves nicht zerstört wird.«
      Vespasian war hierhergesandt mit dem Mandat, Judäa mit allen Mitteln, die ihm recht dünkten, zu zähmen. Einen kleinen Augenblick hatte er Lust zu erwidern: Die Erhaltung der Weltherrschaft erlaubt leider nicht immer architektonische Rücksichten. Aber er sah ihr regloses, innig gespanntes Gesicht, und er knarrte nur ablehnend: »Wir sind keine Barbaren.«
      Sie erwiderte nichts. Langsam, voll traurigem Zweifel, tauchte sie ihre langen, erfüllten Augen in die seinen, und es wurde ihm unbehaglich. War es nicht vollkommen gleichgültig, ob diese Jüdin ihn für einen Barbaren hielt? Es war ihm merkwürdigerweise nicht gleichgültig. Er spürte vor ihr jene kleine Benommenheit wie manchmal in Gegenwart seines Juden Josef. Er suchte darüber wegzukommen: »Sie sollten mich nicht bei meinem Ehrgeiz packen wollen. Dazu bin ich nicht mehr jung genug.«
      Berenike fand, daß der Spediteur ein harter, schwieriger Bursche war, verflucht hinterhältig bei aller Offenheit. Sie lenkte ab. »Zeigen Sie mir ein Bild Ihres Sohnes Titus«, bat sie. Er schickte einen Läufer, um das Bild holen zu lassen. Sie betrachtete es interessiert und sagte vieles, was dem Herzen des Vaters wohltun sollte. Aber Vespasian war alt und menschenkennerisch und sah gut, daß ihr das Bild durchaus nicht gefiel. Man trennte sich freundlich, und der Römer und die Jüdin wußten, daß sie einander unausstehlich waren. Berenike, als Josef Ben Matthias sie auf ihren Wunsch aufsuchte, streckte abwehrend die Hand aus, rief: »Kommen Sie nicht näher. Bleiben Sie stehen. Es sollen sieben Schritte sein zwischen Ihnen und mir.« Josef erblaßte, weil sie sich entfernt von ihm hielt wie von einem Aussätzigen.
      Berenike begann: »Ich habe Ihr Buch gelesen, zweimal.« Josef erwiderte: »Wer schriebe nicht gern und begeistert, wenn er von Vorfahren zu berichten hat wie den unsern?« Berenike strich heftig das kurze, widerspenstige Haar zurück. Es war richtig, der Mann war mit ihr verwandt. »Ich bedaure es, mein Vetter Josef«, sagte sie, »daß wir mit Ihnen verwandt sind.« Sie sprach sehr ruhig, nur ganz leise lag die vibrierende Heiserkeit über ihrer Stimme. »Ich verstehe nicht, daß Sie am Leben bleiben konnten, als Jotapat fiel. Seither gibt es in Judäa niemanden, den es nicht anekelte, wenn er den Namen Josef Ben Matthias hört.« Josef dachte daran, wie Justus von Tiberias erklärt hatte: »Ihr Doktor Josef ist ein Lump.« Aber Frauenrede erbitterte ihn nicht. »Es wird sicher sehr viel Schlechtes über mich erzählt«, sagte er, »aber ich glaube nicht, daß jemand Ihnen erzählt hat, ich sei feig. Bedenken Sie, bitte, daß es manchmal nicht sehr schwer ist, zu sterben. Sterben war leicht und eine große Verlockung. Es gehörte Entschluß dazu, zu leben. Es gehörte Tapferkeit dazu. Ich bin am Leben geblieben, weil ich wußte, ich bin ein Instrument Jahves.« Berenikes lange Lippen krümmten sich, ihr ganzes Gesicht war Spott und Verachtung. »Es geht ein Gerücht durch den Osten«, sagte sie, »ein jüdischer Prophet habe verkündet, der Römer sei der Messias. Sind Sie dieser Prophet?« – »Ich weiß«, sagte Josef still, »daß Vespasian der Mann ist, von dem die Schrift redet.«
      Berenike beugte sich vor über die Sieben-Schritt-Grenze, die sie sich gesteckt hatte. Es war der ganze Raum des Zimmers zwischen ihnen, auch das Kohlenbecken, denn es war ein kalter Wintertag. Sie betrachtete den Mann; er trug noch immer seine Kette, aber er sah gepflegt aus. »Ich muß ihn mir genau anschauen, diesen Propheten«, höhnte sie, »der willig das Ausgespiene des Römers hinunterschlang, als der es ihn hieß. Mir wurde übel vor Verachtung, als ich hörte, wie die Doktoren von Sepphoris Ihrer ›Hochzeit‹ zuschauen mußten.« – »Ja«, sagte still Josef, »ich habe auch dieses geschluckt.«
      Er sah mit einemmal klein und gedrückt aus. Mehr als daß er das Mädchen geehelicht hatte, drückte und erniedrigte ihn ein anderes. Damals unterm Brautzelt hatte er gelobt, er werde Mara nicht anrühren. Allein dann war Mara zu ihm gekommen, sie war auf dem Bett gehockt, jung, glatthäutig, heiß, voll Erwartung. Er hatte sie genommen, hatte sie nehmen müssen, wie er damals hatte trinken müssen, als er aus der Höhle kam. Das Mädchen Mara war um ihn seither. Ihre großen Augen hingen mit der gleichen

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