Der jüdische Krieg.
endlich stand er mit Mara im Brautzelt, in der Chuppa. Das Brautzelt war aus weißem, golddurchwirktem Linnen, von der Decke hingen Weintrauben, Feigen und Oliven. Vespasian und eine Reihe seiner Offiziere sowie die jüdischen Notabeln Galiläas waren Zeugen, wie Josef das Mädchen Mara heiratete. Sie hörten es, wie er deutlich und verbissen die Formel sprach, die verbrecherisch war in seinem Munde: »Hiermit erkläre ich, du bist mir angetraut nach dem Gesetz Mosis und Israels.« Der Boden stürzte nicht ein, als der Priester diese ihm verbotenen Worte sprach. Die Früchte schaukelten leicht von der Decke des Brautzelts. Ringsum sangen sie: »Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Brunnen.« Das Mädchen Mara aber, schamlos und lieblich, hing ihre langen, dringlichen Augen an das blasse Gesicht Josefs und gab den Vers zurück: »Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen guten Früchten.« Vespasian ließ sich alles übersetzen, schmunzelte vergnügt. »Eines möchte ich mir ausgebeten haben, mein Lieber«, sagte er zu Josef, »daß du dich nicht zu rasch wieder aus dem Garten verdrückst.«
Die Prinzessin Berenike, Tochter des ersten, Schwester des zweiten Königs Agrippa, tauchte auf aus ihren Meditationen in der Wüste, kehrte zurück nach Judäa. Leidenschaftlich jedem Gefühl hingegeben, hatte sie, als die Römer die Städte Galiläas verheerten, körperlich mitgelitten, war in die südliche Wüste geflohen. Sie fieberte, wies angeekelt Speise und Trank zurück, kasteite sich, ließ ihr Haar verfilzen, ihren Körper von einem härenen Gewand zerkratzen, gab ihn der Mittagshitze und dem nächtlichen Frost preis. So lebte sie Wochen, Monate, allein, in heilloser Zerknirschung, niemand sah sie als die Einsiedler, die essäischen Brüder und Schwestern.
Allein als das Gerücht von den wüsten Dingen, die in Rom geschahen, vom Tode Neros und den Wirren unter Galba auf unerklärliche Weise auch in die Wüste drang, warf sich die Prinzessin mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie sich in das grundlose Meer der Buße gestürzt hatte, in die Politik. Von jeher schon schlugen ihre Neigungen jäh um; bald versank sie in den heiligen Schriften, gebieterisch und wild Gott suchend, bald richtete sie die ganze Kraft ihres kühnen und wendigen Geistes auf die Wirrungen im Regiment des Reichs und der Provinzen.
Schon auf der Reise begann sie zu arbeiten, zettelte, sandte und empfing unzählige Briefe, Depeschen. Lange bevor sie Judäa wieder erreichte, war sie sich klar über die Fäden, die vom Osten zum Westen liefen, über die Verteilung der Macht im Reich, hatte Pläne entworfen, Stellung genommen. Viele Faktoren waren gegeneinander abzuwägen: die Rheinarmee, die Donauarmee, das Heer im Osten; der Senat, die reichen Herren in Rom und in den Provinzen; Wesensart und Macht der Gouverneure von England, Gallien, Spanien, Afrika, der leitenden Beamten in Griechenland, am Schwarzen Meer; die geizige, mürrische, uralte Person des Kaisers; die zahlreichen stillen und auch lauten Kandidaten für die Nachfolge. Je mehr Verwirrung in der Welt, um so besser. Schon haben diese Wirren bewirkt, daß Jerusalem und der Tempel heil und unversehrt dastehen. Vielleicht glückt es, den Schwerpunkt des Weltregiments wieder nach dem Osten zu rücken, so daß die Welt nicht von Rom, sondern von Jerusalem aus geordnet wird.
Die Prinzessin wägt ab, zählt, sucht den Punkt, wo sie eingreifen kann. Im Osten, in ihrem Osten, haben drei Männer die Macht: der Herr von Ägypten, Tiberius Alexander; der Herr von Syrien, Mucian; der Feldmarschall von Judäa, Vespa sian. Jetzt also ist sie nach seinem Hauptquartier gekommen, um sich diesen Feldmarschall einmal anzuschauen. Sie ist voll von Vorurteil gegen ihn. Man nennt ihn den Spediteur, den Pferdeäpfelmann, er soll hinterhältig sein, ein verschlagener Bauer, grob und plump, ihr Land Judäa jedenfalls hat er roh und blutig angepackt. Sie verzieht angewidert die langen, starken Lippen, wenn sie an ihn denkt. Man muß leider oft an ihn denken, er ist sehr in Sicht gekommen, er hat Glück. Der ganze Osten ist voll von Geraun über göttliche Vorzeichen und Prophezeiungen, die auf ihn weisen.
Vespasian zögert unhöflich lange, ehe er der Prinzessin seine Aufwartung macht. Auch er kommt voll von Vorurteilen. Er hat von der preziösen Dame gehört, von ihren modischen Launen, ihren überhitzten
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