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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Inbrunst an ihm, wenn er sie nahm und wenn er sie hernach wild und voll Verachtung wegschickte. Berenike hatte mehr als recht. Er hatte den Wegwurf des Römers nicht nur hinuntergeschlungen, er fand Geschmack daran.
      Josef atmete auf, da Berenike nicht auf dem Thema beharrte. Sie sprach von Politik, sie eiferte gegen den Marschall: »Ich will nicht, daß dieser Bauer sich in die Mitte der Welt setzt. Ich will es nicht.« Ihre dunkle Stimme war heiß von Leidenschaft. Josef stand still, beherrscht. Aber er war voll von Ironie über ihre Ohnmacht. Sie sah es gut. »Gehen Sie hin, mein Vetter Josef«, höhnte sie, »sagen Sie es ihm. Verraten Sie mich ihm. Vielleicht bekommen Sie eine noch reichere Belohnung als die Leibeigene Mara.«
      Sie standen, getrennt durch den Raum, die beiden jüdischen Menschen, jung beide, schön beide, getrieben beide von dem heißen Willen nach ihren Zielen. Aug in Aug standen sie, voll Hohn einer gegen den andern, und doch im Innersten verwandt. »Wenn ich es dem Feldherrn sagte«, spottete Josef zurück, »daß Sie sein Gegner sind, Kusine Berenike, er würde lachen.« – »Also machen Sie ihn lachen, Ihren römischen Herrn«, sagte Berenike. »Wahrscheinlich hält er Sie zu diesem Zweck. Ich, mein Vetter Josef, werde mir die Hände gut waschen und ein langes Bad nehmen, nun ich mit Ihnen zusammen war.«
      Josef, auf dem Rückweg, lächelte. Er ließ sich von einer Frau wie Berenike lieber beschimpfen als gleichgültig anschauen. Im Hauptquartier des Vespasian in Cäsarea erschien, von den römischen Behörden mit Ehrfurcht empfangen, ein uralter jüdischer Herr, sehr klein, sehr angesehen, Jochanan Ben Sakkai, Rektor der Tempeluniversität, Oberrichter von Judäa, Großdoktor von Jerusalem. Mit seiner welken Stimme, im Kreis der Juden von Cäsarea, berichtete er von den Greueln, die die jüdische Hauptstadt erfüllten. Wie die leitenden Männer der Gemäßigten fast allesamt niedergemetzelt worden seien, der Erzpriester Anan, die meisten Aristokraten, auch viele von den »Wahrhaft Schriftgläubigen«; wie jetzt die Makkabi-Leute mit Brand und Schwert gegeneinander wüteten. Selbst in den Vorhallen des Tempels hatten sie Geschütz aufgefahren, und Leute, die ihr Opfer zum Altar bringen wollten, waren von ihren Geschossen getroffen worden. Manchmal, auf altmodische Art, bekräftigte der Alte: »Meine Augen haben es gesehen.« Auch er hatte sich nur mit Gefahr aus Jerusalem wegstehlen können. Er hatte aussprengen lassen, er sei tot, seine Schüler hatten ihn in einem Sarg zur Bestattung aus den Mauern Jerusalems herausgetragen.
      Er ersuchte den Marschall um eine Unterredung, und Vespasian bat ihn sogleich zu sich. Uralt, vergilbt, stand der jüdische Großdoktor vor dem Römer; die blauen Augen stachen auffallend frisch aus dem zerknitterten, von einem kleinen, entfärbten Bart umrahmten Gesicht. Er sagte: »Ich bin gekommen, Konsul Vespasian, um mit Ihnen über Frieden und Unterwerfung zu reden. Es steht keine Macht hinter mir. Die Macht in Jerusalem haben die ›Rächer Israels‹; allein das Gesetz ist nicht tot, und ich bringe mit das Siegel des Oberrichters. Das ist nicht viel. Aber niemand weiß besser als Rom, daß ein großes Reich auf die Dauer nur zusammengehalten werden kann durch Recht, Gesetz und Siegel, und darum ist es vielleicht auch nicht wenig.« Vespasian erwiderte: »Ich freue mich, mit dem Manne zu reden, der in Judäa den ehrwürdigsten Namen trägt. Aber ich bin lediglich gesandt, das Schwert zu führen. Über Frieden verhandeln kann nur der Kaiser in Rom und sein Senat.« Jochanan Ben Sakkai wiegte den alten, kleinen Kopf. Listig, leise, mit dem Singsang orientalischen Dozierens, führte er aus: »Es sind manche, die sich nennen Kaiser. Aber es ist nur einer, mit dem ich austauschen möchte Siegel und Dokument. Ist der Libanon gefallen durch Galba? Nur der, durch den fällt der Libanon, ist der Mächtige, der Adir. Der Libanon ist nicht gefallen durch Galba.« Vespasian schaute den Alten mißtrauisch an. Fragte: »Haben Sie mit meinem Gefangenen Josef Ben Matthias gesprochen?« Jochanan Ben Sakkai verneinte, ein wenig erstaunt. Reumütig, täppisch, sagte Vespasian: »Verzeihen Sie, Sie haben wirklich nicht mit ihm gesprochen.«
      Er setzte sich, machte sich klein, so daß er nicht auf den Alten hinabschauen mußte: »Bitte, teilen Sie mir mit, was Sie geben und was Sie nehmen wollen.« Jochanan streckte seine welken Hände hin, bot dar: »Ich gebe

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