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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Josef, »mein Geschlecht geht auf König David zurück. Wenn ich diese Frau heirate, dann verliere ich meine Priesterrechte für immer, und die Kinder aus solcher Vereinigung sind illegitim, rechtlos. Ich bin Priester der Ersten Reihe«, wiederholte er leise, beharrlich. »Du bist ein Haufen Dreck«, sagte schlicht und abschließend Vespasian. »Wenn du ein Kind kriegst, will ich es in zehn Jahren sehen. Dann wollen wir untersuchen, ob es dein Sohn ist oder meiner.« – »Werden Sie sie heiraten?« erkundigte sich interessiert die Dame Cänis. Josef schwieg. »Ja oder nein?« fragte, unvermittelt heftig, Vespasian. »Ich sage weder ja noch nein«, erwiderte Josef. »Gott, der bestimmt hat, daß der Feldherr Kaiser sein soll, hat dem Feldherrn diesen Wunsch eingegeben. Ich neige mich vor Gott.« Und er neigte sich tief.
      Josef schlief schlecht in den folgenden Nächten; seine Kette scheuerte ihn. So hoch ihn das Eintreffen seiner Prophezeiung erhoben hatte, so tief stürzte ihn der freche Spaß des Römers. Er erinnerte sich der Lehren des Essäers Banus in der Wüste. Fleischliche Begier vertrieb den Geist Gottes; es war ihm selbstverständlich gewesen, daß er sich der Weiber enthalten müsse, solange seine Prophezeiung nicht erfüllt war. Das Mädchen Mara war seinem Herzen und seiner Haut wohlgefällig, das mußte er jetzt bezahlen. Wenn er dieses Mädchen heiratete, das durch Kriegsgefangenschaft und die Buhlerei mit dem Römer zur Hure geworden war, dann war er verworfen vor Gott und hatte die Strafe der öffentlichen Geißelung verwirkt. Er kannte genau die Bestimmungen; hier gab es keine Ausnahme, kein Ausbiegen und kein Deuteln. »Die Weinrebe soll sich nicht um den Dornstrauch ranken«, das war die Grundstelle. Und zu dem Satze »Verflucht, der bei einem Tiere schläft« sagt der authentische Kommentar der Doktoren, daß der Priester, der sich mit einer Hure mischt, nicht besser sei als der, der mit einem Tiere schläft.
      Allein Josef schluckte das ganze Gift hinunter. Hohes Spiel erfordert hohen Einsatz. Er ist mit diesem Römer verknüpft, er wird die Schande auf sich nehmen.
      Vespasian wandte Zeit und Intensität daran, den Spaß ganz auszukosten. Er ließ sich genau über das umständliche, verzwickte jüdische Eherecht unterrichten, auch über das Zeremoniell bei Verlobung und Hochzeit, das in Galiläa anders war als in Judäa. Er sah darauf, daß alles streng nach dem Ritus vor sich ging.
      Der Ritus verlangte, daß an Stelle des toten Vaters der Vormund über den Kaufpreis der Braut mit dem Bräutigam verhandelte. Vespasian erklärte sich zum Vormund. Es war Usus, daß der Bräutigam zweihundert Zuz zahlte, wenn die Braut Jungfrau, hundert Zuz, wenn sie Witwe war. Vespasian ließ für Mara, Tochter des Lakisch, hundertfünfzig Zuz als Kaufpreis in das Dokument setzen und bestand darauf, daß Josef ihm persönlich eine Schuldverschreibung über diesen Betrag ausstellte. Er berief Doktoren und Studenten der Schulen von Tiberias, Magdala, Sepphoris und sonstige Notabeln des besetzten Gebiets als Zeugen der Hochzeit. Viele weigerten sich, bei dem Greuel mitzuwirken. Der Feldherr legte ihnen Strafen, ihren Gemeinden Kontributionen auf.
      Die ganze Bevölkerung wurde durch Herolde zur Teilnahme an dem Fest aufgefordert. Für den Hochzeitszug mußte der kostbarste Brautstuhl von Tiberias herbeigeschafft werden, wie das bei der Vermählung großer Herren der Brauch war. An Stelle des Vaters sagte, als Mara auf dem myrtenbekränzten Brautstuhl sein Haus verließ, Vespasian: »Gebe Gott, daß du hierher nicht zurückkommst.« Dann wurde sie durch die Stadt geführt, die vornehmsten Juden Galiläas, auch sie mit Myrten geschmückt, trugen den Brautstuhl. Mädchen mit Fak keln gingen voran, dazu Studenten, die Alabasterkrüge mit Wohlgerüchen schwenkten. Wein und Öl wurde auf den Weg ausgeschüttet, Nüsse, geröstete Ähren ausgeworfen. Gesang war ringsum: »Der Schminke, der Salbe, des Heilkrauts bedarfst du nicht, du liebliche Gazelle.« Tanz war auf allen Straßen; die sechzigjährige Matrone mußte zur Sackpfeife springen genau wie das sechsjährige Mädchen, und selbst die alten Doktoren mußten tanzen, Myrtenzweige in den Händen, denn Vespasian wünschte sein Brautpaar nach altem Herkommen geehrt.
      So wurde Josef durch die Stadt Cäsarea geführt, einen langen Weg, nicht weniger qualvoll als der durch das römische Lager, als er das erstemal zu Vespasian gebracht wurde. Dann

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