Der jüdische Krieg.
Gesindel aus dem Spiel zu lassen, römisch und geradezu mit Mucian zu verhandeln. Der Marschall hörte ihr aufmerksam zu. Dann sagte er: »Du bist eine gescheite und resolute Dame, alter Hafen. Aber für den Osten hast du kein Organ. In diesem Osten komme ich ohne das Geld und die Geriebenheit meiner Juden nicht weiter. In diesem Osten sind die krümmsten Wege die geradesten.«
Die Nachricht kam, daß die Nordarmee ihren Führer Vitell zum Kaiser ausgerufen habe. Otho war gestürzt, Senat und Volk von Rom hatten Vitell als den neuen Kaiser anerkannt. Gespannt schaute die Welt nach dem Osten, und der neue Herr, schlemmerisch und phlegmatisch, zuckte zusammen, sooft der östliche Führer genannt wurde. Aber Vespasian tat, als sähe er von alledem nichts. Gelassen, ohne Zögern, vereidigte er seine Legionen auf den neuen Kaiser, und zögernd, mißmutig folgten seinem Beispiel für Ägypten der Gouverneur Tiber Alexander, für Syrien der Gouverneur Mucian. Von allen Seiten drängte man in Vespasian. Er aber spielte den Verständnislosen, blieb mit jedem Wort loyal.
Der westliche Kaiser, um sich zu sichern, mußte starke Abteilungen nach der Hauptstadt heranführen, die vier niederrheinischen, die zwei Mainzer Legionen, dazu sechsundvierzig Hilfsregimenter. Vespasian machte die Augen eng, lauerte. Er war ein guter Militär, er wußte, daß mit hunderttausend demoralisierten Berufssoldaten in einer Stadt wie Rom nicht gut hausen war. Diese Soldaten, die den Vitell zum Kaiser gemacht hatten, warteten auf Belohnung. Geld war wenig da, und mit Geld, Vespasian kannte die Sinnesart der Armee, würden sie sich auch nicht begnügen. Sie hatten den anstrengenden Dienst in Deutschland hinter sich, jetzt waren sie in Rom, und jetzt rechneten sie auf die kürzere Dienstzeit und den höheren Sold der hauptstädtischen Garde. Zwanzigtausend Mann, wenn es hoch kommt, kann Vitell in Rom garnisonieren, was aber will er mit den andern machen? In den östlichen Armeen tauchten immer bestimmtere Gerüchte auf, Vitell wolle diese Mannschaften zum Dank für ihre Leistungen nach dem schönen, warmen Osten versetzen. Die östlichen Legionen hatten schon bei der Vereidigung die vorgeschriebenen Hochrufe auf den neuen Herrn nur recht dünn ausgebracht: jetzt zeigten sie ihre Erbitterung öffentlich. Hielten Versammlungen ab, schimpften, man werde allerlei erleben, wenn man versuche, sie nach dem rauhen Deutschland oder nach dem verdammten England zu transportieren. Die Herren des Ostens hörten das mit Vergnügen. Von ihren Offizieren bedrängt, was an den Gerüchten über die Umgruppierung der Armee wahr sei, schwiegen sie, zuckten mit vieldeutigem Bedauern die Achseln. Von Rom her kamen immer wüstere Nachrichten. Die Finanzen waren in heilloser Unordnung, die Wirtschaft stockte, in ganz Italien, in der Hauptstadt selbst, kam es zu Plünderungen, der neue, schlechtorganisierte Hof gab sich lässig, schlemmerisch, üppig, das Reich drohte vor die Hunde zu gehen. Die Empörung im Osten wuchs. Tiber Alexander, König Agrippa schürten sie mit Geld und Gerüchten. Das ganze weite Land jetzt vom Nil bis zum Euphrat hallte wider von den Prophezeiungen über Vespasian; die wunderbare Voraussage, die der gefangene jüdische General Josef Ben Matthias dem Marschall in Gegenwart von Zeugen gemacht hatte, war in aller Mund: »Der Retter wird kommen aus Judäa.« Wenn Josef, immer noch in seiner Fessel, durch die Straßen Cäsareas ging, war um ihn Ehrfurcht und scheues Geraun.
Zauberhaft hell und herrlich war die Luft in diesem Frühsommer an der Küste des Jüdischen Meeres. Vespasian schaute mit seinen klaren, grauen Augen über die leuchtende See, lauerte, wartete. Er wurde immer schweigsamer in dieser Zeit, sein hartes Gesicht wurde härter, herrischer, der steife Körper straffte sich, der ganze Mann wuchs. Er studierte die Depeschen aus Rom. Wirren überall im Reich, die Finanzen zerrüttet, die Armee verlottert, die bürgerliche Sicherheit hin. Der Retter wird ausgehen von Judäa. Aber Vespasian preßte die langen Lippen zusammen, bezwang sich. Die Dinge sollen ausreifen, er läßt sie an sich herankommen.
Cänis ging um den breiten Mann herum, beschaute ihn. Niemals bisher hatte er Geheimnisse vor ihr gehabt; jetzt war er hinterhältig, unverständlich. Sie war ratlos, und sie liebte ihn sehr.
Sie schrieb einen täppischen, hausfraulich besorgten Brief an Mucian. Ganz Italien warte doch darauf, daß die Ostarmee sich aufmache,
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