Der jüdische Krieg.
Kaisers Nero und die Wirren nach seinem Tod hatten riesige Werte zerstört, die Summe der Reichsschulden, die die drei Männer errechneten, war hoch. Regin übernahm die wenig dankbare Aufgabe, dem Kaiser diese Summe zu nennen.
Vespasian und der Finanzmann hatten sich nie gesehen. Jetzt saßen sie sich in bequemen Sesseln gegenüber. Regin blinzelte, er sah schläfrig aus, er hatte das eine der fetten Beine über das andere gelegt, seine losen Schuhbänder baumelten. Er hatte früh auf diesen Vespasian gesetzt, als mit ihm nur sehr magere Geschäfte zu machen waren. Er war mit der Dame Cänis in Verbindung getreten, hatte ihr dann, als es um große Lieferungen für die judäische und für die europäischen Armeen Vespasians ging, ansehnliche Provisionen gezahlt. Vespasian wußte, daß sich der Finanzmann in seinen Abrechnungen als anständiger Kerl erwiesen hatte. Mit seinen hellen, harten Augen schaute er in das fleischige, traurige, verhängte Gesicht Regins. Die beiden Männer berochen einander, sie rochen sich nicht schlecht.
Regin nannte dem Kaiser seine Ziffer. Vierzig Milliarden. Vespasian zuckte nicht zurück. Vielleicht schnaufte er etwas härter, aber seine Stimme klang ruhig, als er erwiderte: »Vierzig Milliarden. Sie sind ein mutiger Mann, und haben Sie nicht einige Posten zu hoch angeschlagen?« Claudius Regin, gelassen, mit seiner fettigen Stimme, beharrte: »Vierzig Milliarden. Man muß der Ziffer ins Auge schauen.« – »Ich schaue ihr ins Auge«, sagte hart schnaufend der Kaiser.
Sie besprachen die notwendigen geschäftlichen Maßnahmen. Man könnte riesige Gelder hereinbekommen, wenn man das Vermögen derjenigen konfiszierte, die dem früheren Kaiser noch nach der Akklamation Vespasians angehangen hatten. Es war der Tag, an dem der Kaiser nach der Diätvorschrift des Arztes Hekatäus zu fasten pflegte, und an diesem Tag hatte er den Sinn für Geschäfte besonders offen. »Sind Sie Jude?« fragte er unvermittelt. »Halbjude«, erwiderte Regin, »aber ich sehe jedes Jahr jüdischer aus.« – »Ich wüßte ein Mittel«, Vespasian verengerte die Augen, »die Hälfte der vierzig Milliarden auf einmal loszuwerden.« – »Ich bin neugierig«, sagte Claudius Regin. »Wenn ich anordnete«, überlegte Vespasian, »daß in der Hauptsynagoge ein Standbild von mir aufgestellt werden muß ...« – »Dann würden die Juden aufbegehren«, ergänzte Claudius Regin. »Richtig«, sagte der Kaiser. »Dann könnte ich ihnen ihr Geld abnehmen.« – »Richtig«, sagte Claudius Regin. »Das ergäbe schätzungsweise zwanzig Milliarden.« – »Sie sind ein schneller Rechner«, lobte der Kaiser. »Sie hätten dann die erste Hälfte der Schulden gedeckt«, meinte Claudius Regin. »Aber die zweite würden Sie niemals decken können; denn Wirtschaft und Kredit, nicht nur im Orient, wären für immer zerstört.« – »Ich fürchte, Sie haben recht«, seufzte Vespasian. »Aber Sie müssen zugeben, der Gedanke ist verlockend.« – »Ich gebe es zu«, lächelte Claudius Regin. »Schade, daß wir beide zu gescheit dafür sind.«
Regin mochte die alexandrinischen Juden nicht leiden. Sie waren ihm zu protzig, zu elegant. Auch verdroß ihn, daß sie auf die römischen Juden wie auf kompromittierende arme Verwandte herabschauten. Allein, was der Kaiser vorschlug, erschien ihm zu radikal. Er wird später für die alexandrinischen Juden andere Abzapfungen aussinnen, nicht solche, daß sie daran verbluten, aber immerhin solche, daß sie an ihn denken sollen.
Vorläufig empfahl er dem Kaiser eine andere Steuer, die alle traf und die bisher im Osten noch keiner gewagt hatte: eine Steuer auf gesalzene Fische und Fischkonserven. Er verhehlte nicht das Gefährliche einer solchen Steuer. Die Alexandriner hatten Schnauzen wie die Schwertfische, und der Kaiser wird von ihnen allerhand zu hören bekommen. Allein Vespasian hatte keine Angst vor Couplets.
Die Sympathie der Alexandriner für den Kaiser schlug, als die Salzfischsteuer ausgeschrieben wurde, jäh um. Sie schimpften wild über die Verteuerung dieses sehr geliebten Nahrungsmittels, und einmal, bei einer Ausfahrt, bewarfen sie ihn mit faulen Fischen. Der Kaiser lachte schallend. Kot, Pferdeäpfel, Rüben, jetzt faule Fische. Es amüsierte ihn, daß er auch als Kaiser aus dieser Materie nicht herauskam. Er ordnete eine Untersuchung an, und die Unruhstifter mußten an seine Vermögensverwaltung ebenso viele goldene Fische liefern, als sich faule Fische in
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