Der jüdische Krieg.
setzte man Mara in den Gebärstuhl, ein Gestell aus Lattenwerk, in dem sie halb sitzen, halb liegen konnte, und band eine Henne an das Gestell, damit ihr Geflatter die Geburt beschleunige. Es war eine schmerzhafte Geburt, noch Tage später verspürte Mara die bittere Kälte an den Hüften. Die Hebamme sprach beschwörend auf sie ein, zählte, rief sie bei Namen, zählte.
Dann aber war das Kind da, und siehe, es war ein Knabe. Blauschwarz, schmutzig, voll Schleim und Blut war seine Haut, aber er schrie, und er schrie so, daß sein Schrei von der Wand widerhallte. Das war ein gutes Zeichen, und auch daß das Kind an einem Sabbat zur Welt kam, war ein gutes Zeichen. Man nahm warmes Wasser zum Bad, trotz des Sabbats, und man goß Wein in das Badewasser, kostbaren Wein von Eschkol. Vorsichtig renkte man die Glieder des Kindes aus, und man bestrich seinen weichen Schädel mit einem Brei aus unreifen Trauben, um Geziefer zu verscheuchen. Man salbte es mit warmem Öl, bestreute es mit dem Pulver von zerstoßenen Myrrhen, wickelte es in feines Linnen; Mara hatte an ihren Kleidern gespart, um das beste Linnen für das Kind zu erwerben.
Janik, Janiki, oder wohl auch Jildi, mein Kind, mein Kindchen, mein Baby, sagte Mara, und stolz am andern Tag ließ sie eine Zeder pflanzen, weil es ein Knabe war.
Die ganzen neun Monate hindurch hatte sie darüber nachgedacht, welchen Namen sie dem Knaben geben sollte. Aber jetzt, in der Woche vor der Beschneidung, da sie sich entscheiden mußte, schwankte sie lange. Endlich entschied sie sich. Sie ließ den Schreiber kommen und diktierte ihm einen Brief:
»Mara, Tochter des Lakisch, grüßt ihren Herrn, Josef, den
Sohn des Matthias, Priester der Ersten Reihe, den Freund des Kaisers.
O Josef, mein Herr, Jahve hat gesehen, daß Deine Magd mißfällig war vor Deinem Angesicht, und er hat meinen Leib gesegnet und hat mich gewürdigt, daß ich Dir einen Sohn gebäre. Er ist an einem Sabbat geboren, und er wiegt sieben Litra und fünfundsechzig Zuz, und sein Schrei kam von der Wand zurück. Ich habe ihn Simeon genannt, das ist der Sohn der Erhörung, denn Jahve hat mich erhört, als ich mißfällig war. Josef, mein Herr, sei gegrüßt und werde groß in der Sonne des Kaisers, und der Herr lasse sein Antlitz leuchten über Dir.
Und iß keinen Palmkohl, weil es Dich dann gegen die Brust drückt.«
Um die gleiche Zeit, noch bevor er diesen Brief erhalten hatte, stand Josef im Zeremoniensaal der Gemeinde von Alexandrien. Er war noch blaß und sehr mitgenommen von der Geißelung, aber er hielt sich aufrecht. Neben ihm standen als Zeugen der Großmeister Theodor Bar Daniel und der Präsident der Augustäer-Gemeinde, Nikodem. Der Oberrichter Basilid selber führte den Vorsitz, und drei Doktoren fungierten als Richter. Der erste Sekretär der Gemeinde schrieb nach dem Diktat des Oberrichters, er schrieb vorschriftsmäßig auf Pergament aus Kalbshaut, er schrieb mit dem Gänsekiel und tiefschwarzer Tinte, und sah zu, daß das Dokument genau zwölf Zeilen umfaßte nach dem Ziffernwert des Wortes Get, des hebräischen Wortes für Scheidebrief.
Josef, während der Gänsekiel über das Pergament knirschte, hörte in seinem Herzen ein Geräusch, lauter als dieses Knirschen. Es war aber jenes scharfe Geräusch, mit dem Mara, Tochter des Lakisch, ihr Kleid zerrissen hatte und ihre Sandalen, wortlos, umständlich, als sie in jenem grauen Morgen zurückkam von dem Römer Vespasian. Josef glaubte, er habe dieses Geräusch vergessen, jetzt aber war es wieder da und war sehr laut, lauter als das Knirschen des Kiels. Aber er machte sein Ohr taub und sein Herz stumpf.
Der Sekretär aber schrieb folgendes: »Am siebzehnten Tag des Monats Kislew im Jahre dreitausendachthundertdreißig nach Erschaffung der Welt in der Stadt Alexandrien am Ägyptischen Meer.
Ich, Josef Ben Matthias, genannt Flavius Josephus, der Jude, der ich mich heute in der Stadt Alexandrien am Ägyptischen Meer befinde, habe eingewilligt aus freiem Willen und ohne Zwang, Dich zu entlassen, loszulösen und zu scheiden, Dich, meine Ehefrau Mara, Tochter des Lakisch, die sich heute in der Stadt Cäsarea am Jüdischen Meer befindet. Du warst bisher mein Weib. Jetzt ab sei frei, entlassen, geschieden von mir, so daß Dir erlaubt ist, über Dich in Zukunft zu verfügen, und so daß Du in Zukunft erlaubt bist für jedermann.
Hierdurch erhältst Du von mir die Urkunde der Entlassung und den Scheidebrief nach
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