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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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seinem Wagen vorgefunden hatten.
      Den Josef sah Vespasian selten in diesen Tagen. Er war gewachsen mit seinem Amt, er war seinem Juden ferner gerückt, war fremd geworden, westlich, ein Römer. Gelegentlich sagte er zu ihm: »Ich höre, Sie haben sich wegen irgendeines Aberglaubens vierzig Schläge aufpfeffern lassen. Ich wollte«, seufzte er, »ich könnte meine vierzig Milliarden auch durch vierzig Schläge ablösen.«

    Josef und Titus lagen in der offenen Speisehalle der Villa in Canopus, in welcher der Prinz einen großen Teil seiner Zeit zuzubringen pflegte. Sie waren allein. Es war ein milder Wintertag; man brauchte, trotzdem es gegen Abend ging, die offene Halle noch nicht zu verlassen. Das Meer lag still, die Zypressen rührten sich nicht. Langsam stelzte der Lieblingspfau des Prinzen durch den Raum, Speisereste aufpickend.
      Josef konnte von seinem Sofa aus durch die weite Wandöffnung die tiefer liegende Terrasse und den Garten übersehen. »Sie lassen die Buchsbaumhecke in einen Buchstaben umformen, mein Prinz?« fragte er und wies mit dem Kopf auf die unten arbeitenden Gärtner. Titus kaute an einem Stückchen Konfekt. Er war in guter, freimütiger Laune; sein breites Knabengesicht über dem etwas zu kurzen Körper lächelte. »Jawohl, mein Jude«, sagte er, »ich lasse die Buchsbaumhecke in einen Buchstaben umformen. Ich lasse auch die Buchsbäume meiner alexandrinischen Villa in einen Buchstaben umformen, auch die Zypressen.« – »In den Buchstaben B?« lächelte Josef. »Du bist schlau, mein Prophet«, sagte Titus. Er rückte näher; Josef saß, Titus lag, die Arme überm Kopf, und schaute zu ihm auf. »Sie findet«, sagte er vertraulich, »ich sehe meinem Vater ähnlich. Sie mag meinen Vater nicht. Ich kann das verstehen; aber ich finde, ich sehe ihm immer weniger ähnlich. Ich habe es nicht leicht mit meinem Vater«, klagte er. »Er ist ein großer Mann, er kennt die Menschen, und wer, wenn er die Menschen kennt, sollte sich nicht über sie lustig machen? Aber er tut es ein bißchen gar zu üppig. Jüngst, bei Tafel, als der General Prisk sich dagegen verwahrte, zu dick zu sein, hieß er ihn glatt seinen Hintern entblößen. Es war großartig, wie die Prinzessin einfach vor sich hin schaute. Sie saß still, sah nichts, hörte nichts. Wir können das nicht«, seufzte er. »Wir werden da verlegen oder grob. Wie kann man das machen, daß einen so etwas Plumpes nicht anrührt?« – »Es ist nicht schwer«, sagte Josef, den Blick auf den Gärtnern, die an den Buchsbäumen beschäftigt waren. »Sie müssen nur dreihundert Jahre hindurch ein Reich beherrschen, dann kommt es von selbst.« Titus sagte: »Du bist sehr stolz auf deine Kusine, aber du hast Ursache. Ich kenne doch nun Frauen aus allen acht Windrichtungen. Im Grunde ist es immer das gleiche, und mit ein bißchen Routine hat man sie bald an dem Punkt, wo man sie haben will. Sie kriege ich nicht an den Punkt. Hast du gewußt, daß ein Mann in meinen Jahren und in meiner Stellung schüchtern sein kann? Vor ein paar Tagen habe ich ihr gesagt: ›Eigentlich sollte man Sie zur Kriegsgefangenen erklären; denn mit dem Herzen sind Sie bei den »Rächern Israels«.‹ Sie sagte einfach ja. Ich hätte weitergehen sollen, ich hätte sagen sollen: Da du also eine Kriegsgefangene bist, so nehme ich dich als meinen privaten Beuteanteil. Jeder andern Frau hätte ich das gesagt, und ich hätte sie genommen.« Sein verwöhntes Knabengesicht war geradezu bekümmert.
      Josef, sitzend, sah hinunter auf den Prinzen. Josefs Antlitz war härter geworden und zeigte, unbeobachtet, oft einen erschreckend finstern Hochmut. Er wußte jetzt wiederum ein gut Teil besser, was Macht ist, was Demut und was Demütigung, was Wollust ist, Schmerz, Tod, Erfolg, Aufstieg, Niederbruch, freier Wille und Gewalt. Es war ein wohlerworbenes Wissen, nicht unterm Preis bezahlt. Er hatte den Prinzen gern. Er stieß bei ihm rasch auf Verständnis und Gefühl, und er hatte ihm viel zu verdanken. Jetzt aber, bei allem Wohlwollen, sah er aus diesem seinem teuer erkauften Wissen heraus auf ihn hinunter. Er, Josef, wurde mit Frauen fertig, für ihn war Berenike nie ein Problem gewesen, und er an Stelle des Prinzen wäre längst mit dieser Sache zu Rande gekommen.
      Aber es war gut, daß es war, wie es war, und als nun der Prinz den Josef bat, knabenhaft, vertrauensvoll und ein wenig geniert, er möge ihm doch raten, wie er sich zu Berenike stellen solle, um voranzukommen, und er

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