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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihm schlafe, dann wird er, wenn er seine neugierigen Augen bekommt, auf mein Wort bestimmt nicht mehr achten.« Sie setzte sich; sie lächelte, und Josef erkannte, daß sie ihren Weg weit voraussah. »Ich werde ihn knapphalten«, schloß sie kühl, rechnerisch, »ich werde ihn nicht zu nah heranlassen.« – »Sie sind eine kluge Frau«, anerkannte Josef. »Ich will, daß der Tempel nicht zerstört werde«, sagte Berenike.
      »Was soll ich meinem Freunde Titus sagen?« überlegte laut Josef. »Hören Sie gut zu, mein Vetter Josef«, forderte Berenike ihn auf. »Ich warte auf ein Vorzeichen. Sie kennen das Dorf Thekoa, bei Bethlehem. Dort hat mein Vater bei meiner Geburt einen Pinienhain gepflanzt. Obwohl jetzt im Bürgerkrieg harte Kämpfe um Thekoa waren, hat der Hain nicht gelitten. Hören Sie gut zu. Wenn der Hain noch steht zur Zeit, da die Römer in Jerusalem einziehen, dann mag mir Titus ein Brautbett aus dem Holz meiner Pinien machen lassen.«
      Josef überlegte scharf. Soll dies ein Zeichen sein für das Wesen des Titus oder für das Schicksal des Landes? Will sie ihr Beilager mit Titus abhängig machen von der Schonung des Landes, oder will sie sich sichern vor der neugierigen Grausamkeit des Mannes? Und soll er ihre Mitteilung an Titus weitergeben? Was eigentlich will sie?
      Er setzte zu einer Frage an. Aber das lange, kühne Gesicht der Prinzessin war hochmütig zugesperrt, die Stunde der Offenheit war vorbei, und Josef wußte, es war sinnlos, weiter zu fragen.

    Eines Morgens, als Josef sich zum Frühempfang im kaiserlichen Palais einfand, war im Schlafzimmer Vespasians ein Porträt der Dame Cänis ausgestellt, das der Maler Fabull im Auftrag des Kaisers in aller Heimlichkeit geschaffen hatte. Das Bild war für das Chefkabinett der Kaiserlichen Vermögensverwaltung bestimmt. Ursprünglich hatte Vespasian gewünscht, es solle neben der Dame Cänis als Schirmherr der Gott Merkur stehen, dazu eine Glücksgöttin mit dem Füllhorn, und vielleicht auch die drei Parzen, goldene Fäden spinnend. Aber der Maler Fabull hatte erklärt, er komme damit nicht zurecht, und hatte die Dame Cänis auf sehr realistische Art dargestellt, an ihrem Schreibtisch sitzend, Rechnungen überprüfend. Hart und genau spähten ihre braunen Augen aus dem breiten, kräftigen Gesicht. Still saß sie, dabei unheimlich lebendig; der Kaiser hatte gescherzt, man müsse das Bild nachts anbinden, daß ihm Cänis nicht durchgehe. So sollte sie sitzen über dem Schreibtisch seines obersten Kaisers, immer mit ihren scharfen Augen zur Stelle, auf daß keine Schlampereien und Durchstechereien passierten. Der Kaiser bedauerte, daß sein Merkur nicht auf dem Bild war, aber es gefiel ihm trotzdem. Auch die Dame Cänis war zufrieden; nur eines ärgerte sie, daß der Maler ihr keine pompösere Frisur hatte zubilligen wollen.
      Wer schärfer zusah, erkannte ohne Mühe, daß das Porträt von einem Meister gemalt war, aber nicht eben von einem Freund der Dame Cänis. Sie war eine große Geschäftsfrau, fähig, die Finanzen des ganzen Reiches zu überblicken und zu ordnen, mit einem warmen Herzen für Vespasian und für das Volk von Rom. Auf dem Bild des Malers Fabull wurde sie zu einer rechenhaften, kniffligen Hausmutter. Und war das Resolute, Stattliche der Frau auf dem Bild nicht bis über die Grenzen des Plumpen hinübergesteigert? Es war wohl so, daß der Maler Fabull, der Verehrer der alten Senatoren, seinen Haß gegen die hochgestiegenen Kleinbürger in das Bild mit hineingemalt hatte.
      Aus der weiten Empfangshalle führte eine mächtige, offene Tür in das Schlafzimmer des Kaisers. Hier ließ er sich, wie die Sitte es wollte, vor aller Augen ankleiden. Und hier saß neben der gemalten Cänis die lebendige. Ihr Freund, der Mann, an den sie geglaubt hatte, als er noch sehr gering einherging, war jetzt Kaiser geworden, und sie saß neben ihm. Ihr Wesentliches war auf dem Bild, und dafür stand sie ein. Langsam schoben sich die Aufwartenden aus der Empfangshalle in das Schlafzimmer, drängten sich vor dem Bild, passierten vorbei, langsam, eine endlose Reihe; jeder fand ein paar künstliche Worte der Bewunderung und der Verehrung. Die Dame Cänis kassierte sie streng ein, und Vespasian lächelte.
      Josef spürte vor dem Bild Unbehagen. Er fürchtete die Dame Cänis, und er sah gut, daß da Dinge mitgemalt waren, geeignet, seine Abneigung zu nähren und zu rechtfertigen. Trotzdem empfand er es wieder als einen Verstoß gegen die

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