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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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dem Gesetz Mosis und Israels.«
      Das Dokument wurde einem besonderen Vertreter übergeben mit dem schriftlichen Auftrag, es der Mara, der Tochter des Lakisch, zu überbringen und es ihr in Gegenwart des Gemeindepräsidenten von Cäsarea sowie von neun andern erwachsenen jüdischen Männern zu überreichen.
      Schon am Tag, nachdem der Kurier in Cäsarea angelangt war, wurde Mara vorgeladen. Sie hatte keine Ahnung, worum es sich handeln könne. In Gegenwart des Gemeindepräsidenten überreichte ihr Josefs Vertreter das Schriftstück. Sie konnte nicht lesen, sie bat, man möge es ihr vorlesen. Man las, sie begriff nicht, man las nochmals, erklärte ihr, sie fiel um. Der Gemeindesekretär riß die Urkunde ein, zum Zeichen, daß sie vorschriftsmäßig übergeben und verlesen war, nahm sie zu seinen Akten und stellte dem Kurier ein Zertifikat darüber aus.
      Mara kam nach Hause. Sie begriff, sie hatte nicht Gunst gefunden vor Josefs Augen. Wenn ein Weib nicht Gunst findet vor des Mannes Augen, dann hat der Mann das Recht, sie wegzuschicken. Keiner ihrer Gedanken ging gegen Josef.
      Von jetzt an widmete sie ihre Tage mit ängstlicher Sorgfalt dem kleinen Simeon, Josefs Erstgeborenem. Peinlich enthielt sie sich aller Dinge, die ihrer Milch hätten schaden können, vermied Salzfische, Zwiebeln, gewisse Gemüse. Sie nannte ihr Kind nicht mehr Simeon, sie nannte es erst Bar Mëir, das ist Sohn des Leuchtenden, dann Bar Adir, das ist Sohn des Gewaltigen, dann Bar Niphli, das ist Sohn der Wolke. Aber der Gemeindepräsident ließ sie ein zweites Mal kommen und untersagte ihr, ihrem Kind solche Namen zu geben, denn Wolke und Gewaltiger und Leuchtender waren Beinamen des Messias. Sie führte ihre Hand an die niedrige Stirn, neigte sich, versprach Gehorsam. Aber wenn sie allein war, in der Nacht, wenn niemand sie hörte, dann nannte sie den kleinen Simeon weiter mit diesen Namen.
      Mit Treue hütete sie die Gegenstände, die Josef einmal angerührt, die Tücher, mit denen er sich getrocknet, den Teller, aus dem er gegessen hatte. Sie wollte ihr Kind des Vaters würdig machen. Sie sah voraus, daß da große Schwierigkeiten sein werden. Denn der Sohn aus der Ehe eines Priesters mit einer Kriegsgefangenen war nicht anerkannt, er war ein Bastard, ausgeschlossen aus der Gemeinschaft. Aber dennoch, sie mußte einen Weg finden. An Sabbaten, an Festtagen zeigte sie dem kleinen Simeon die Überbleibsel seines Vaters, die Tücher, den Teller, und sie erzählte ihm von der Größe seines Vaters und beschwor ihn, ein Doktor und Herr zu werden wie er.
      Josef, nachdem er das Zertifikat der Scheidung dem zuständigen Gemeindebeamten in Alexandrien übergeben hatte, wurde in der Hauptsynagoge feierlich zur Vorlesung aus der Schrift aufgerufen. Seinem priesterlichen Rang zufolge als Erster. Zum erstenmal seit langer Zeit wieder trug er den Priesterhut und den blauen, blumendurchwirkten Gürtel der Priester der Ersten Reihe. Er trat auf die große Kanzel vor die geöffnete Rolle der Schrift, von der er vor wenigen Wochen weggewiesen worden war. Unter lautloser Stille der Hunderttausend sprach er den Segensspruch: »Gelobt seist du, Jahve, unser Gott, der du uns die wahre Lehre gabst und ewiges Leben uns einpflanztest.« Dann las er selber mit lauter Stimme den Abschnitt aus der Schrift, der für diesen Sabbat vorgeschrieben war.

    Auf der Höhe des Winters, um den Beginn des neuen Jahres herum, wußte Vespasian, daß das Reich fest in seiner Hand sei. Die Arbeit des Soldaten war getan: jetzt begann die schwie rigere, die des Verwalters. Was vorläufig in Rom in seinem Namen geschah, war schlecht und unvernünftig. Mucian preßte aus Italien mit kalter Gier heraus, was immer an Geld vorhanden war, und des Kaisers jüngerer Sohn, Domitian, den er nie hatte leiden mögen, ein Liederjan, ein Früchtchen, verteilte als Statthalter des Kaisers wahllos Sonne und Gewitter. Vespasian schrieb dem Mucian, er möge dem Land nicht zuviel Purgative verabreichen, es sei einer auch schon an Diarrhöe gestorben. An das Früchtchen schrieb er, ob das Früchtchen die Gnade habe, ihn für das nächste Jahr im Amt zu belassen. Dann beorderte er drei Männer von Rom nach Alexandrien, den uralten Finanzminister Etrusk, den Hofjuwelier und Direktor der Kaiserlichen Perlfischereien Claudius Regin und den Verwalter seiner sabinischen Güter.
      Die drei Sachverständigen tauschten ihre Ziffern aus, prüften sie. Die imperialistische Orientpolitik des

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