Der jüdische Krieg.
auf den Rücken. Es war sehr still, während er zuschlug. Man hörte die Hiebe scharf aufklatschen, man hörte den gepreßten, pfeifenden Atem Josefs, sah sein flatterndes Herz.
Josef lag gebunden und rang unter der Geißel nach Atem. Die Hiebe waren kurz und scharf, aber der Schmerz war wie ein endloses, bewegtes Meer; er kam in hohen Wellen, nahm Josef weg, verebbte, ließ Josef hochtauchen, kam wieder und brach über ihm zusammen. Josef keuchte, pfiff, roch den Geruch des Blutes. Dies alles geschah um Maras willen, der Tochter des Lakisch, er hatte sie begehrt, er haßte sie, jetzt ließ er sie aus seinem Blut herauspeitschen. Er betete: Aus den Tiefen schrei ich zu dir, o Herr. Er zählte die Schläge, aber die Zahlen verwirrten sich ihm, es waren schon viele hundert Schläge, und sie schlugen ihn immer weiter. Das Gesetz schreibt vor, es sollten nicht vierzig Schläge sein, sondern neununddreißig; denn es stand geschrieben: »an Zahl«, und das ist gleich: »ungefähr«, und somit sollten es nur neununddreißig sein. Oh, wie mild war das Gesetz der Doktoren. Oh, wie hart war die Schrift. Wenn sie jetzt nicht aufhören, dann wird er sterben. Es war ihm, Jochanan Ben Sakkai werde sagen, daß sie aufhören sollten. Der Großdoktor war in Judäa, in Jerusalem oder in Jabne, aber trotzdem, er wird dasein, er wird seinen Mund auftun. Es kommt nur darauf an, daß Josef aushält bis dahin. Der Boden und der Pfahl vor ihm verschwimmt, allein Josef reißt sich zusammen. Es ist ihm geboten, klar zu sehen, Boden und Pfahl genau zu erkennen, bis Jochanan Ben Sakkai kommt. Aber Jochanan Ben Sakkai kam nicht, und schließlich verlor Josef doch Gesicht und Erkenntnis. Ja, beim vierundzwanzigsten Streich wurde er ohnmächtig und lag leblos in den Stricken. Aber nachdem man ihn genetzt hatte, kam er wieder zu sich, und der Arzt sagte: er ist fähig, und der Richter sagte: schlage weiter.
Unter den Zuschauern war die Prinzessin Berenike. Es gab keine Tribünen, keine gesonderten Plätze. Aber sie hatte schon in der Nacht zuvor ihren kräftigsten kappadokischen Leibeigenen geschickt, ihr einen Platz frei zu halten. Nun stand sie in der zweiten Reihe, gepreßt zwischen vielen andern, die langen Lippen halb offen, hart atmend, die dunkeln Augen beharrlich auf den Gegeißelten gerichtet. Im Hof war es lautlos still. Man hörte nur die Stimme des Oberrichters, der die Schriftverse verlas, sehr langsam, dreimal im ganzen, und von weit her aus den Straßen das Gejohl der Massen. Sehr aufmerksam sah Berenike zu, wie dieser hochmütige Josef die Hiebe auf sich nahm, um von der Hure loszukommen, an die er seinen Namen hatte binden müssen. Ja, er war in Wahrheit ihr Vetter. Er befaßte sich nicht mit kleinen Sünden und nicht mit kleinen Tugenden. Sich tief demütigen, um dann um so stolzer hochzutauchen, das begriff sie. Sie hatte selber in der Wüste die Wollust solcher Demütigungen gekostet. Sie stand sehr blaß; es war nicht leicht, zuzuschauen, aber sie schaute zu. Sie bewegte lautlos die Lippen, zählte mechanisch mit. Sie war froh, als der letzte Schlag gefallen war; aber sie hätte noch länger stehen und es mit ansehen können. Ihre Zähne waren trocken geworden unter ihren langen Lippen.
Josef wurde bewußtlos und blutig in das Gemeindehaus getragen. Man wusch ihn, unter der Aufsicht des Arztes Julian, salbte ihn, flößte ihm einen Trank ein aus Wein und Myrrhen. Als er zu sich kam, sagte er: »Gebt dem Büttel zweihundert Sesterzien.«
Mara, die Tochter des Lakisch, indes ging beglückt umher, sich freuend auf das Kind, das sie gebären sollte, es mit tausend Sorgen hütend. Sie war sehr arbeitsam, aber jetzt drehte sie nicht die Handmühle, auf daß das Kind kein Trunkenbold werde. Sie aß keine unreifen Datteln, auf daß es nicht Triefaugen bekomme, trank kein Bier, auf daß sein Teint nicht schlecht werde, aß keinen Senf, um es vor Schlemmerei zu behüten. Hingegen aß sie Eier, auf daß die Augen des Kindes sich vergrößerten, Meerbarben, auf daß es den Menschen wohlgefällig werde, und Zitronat, auf daß es angenehm rieche. Ängstlich ging sie allem Häßlichen aus dem Weg, um sich nicht zu versehen, beflissen suchte sie den Anblick schöner Menschen. Mit Mühe verschaffte sie sich einen zauberkräftigen Adlerstein, der, von Natur innen hohl, einen kleineren Stein in sich schloß, ein Bild der Gebärmutter, die, obzwar nach innen geöffnet, die Frucht nicht herausfallen läßt.
Als es soweit war,
Weitere Kostenlose Bücher