Der jüdische Krieg.
wollte sie nicht verlieren und verlangte es von ihr. Nein, er war nicht feig und wankelmütig, und auch nicht hölzern fühllos, wie sie ihn geschimpft hatte. Sehr wohl war er fähig, etwas so Kostbares wie sie zu sehen, zu greifen, zu schmecken, sich ganz damit anzufüllen. Sie zu lieben. Er werde ja nicht lange fortbleiben, ein Jahr höchstens.
»Das ist auf ewig«, unterbrach sie ihn.
Und daß er fortgehe, sprach er weiter, ernsthaft, dringlich, ihren Einwurf wegwischend, das geschehe für sie nicht weniger als für ihn selber. In ihre Augen stieg Spannung, Hoffnung und ein leises Mißtrauen. Sie immer streichelnd, sehr behutsam, setzte er ihr seinen Plan auseinander, ihn für sie umbiegend. Er glaubt an die Macht des Wortes, seines Wortes. Sein Wort wird die Kraft haben, etwas zu erlangen, wonach auch sie von innen her strebt. Ja, sein Buch wird ihr den Platz und Rang unter den Herrschenden verschaffen, um den ihr Vater sich sein Leben lang umsonst verzehrt hat. Heftig, doch schon leicht gelockt, wehrte sie ab. Leise, fanatisch sprach er ihr ins Ohr, in den Mund, in die Brust. Das Reich wird vom Osten ausgehen, dem Osten ist die Herrschaft bestimmt. Aber der Osten hat es zu plump angefangen bisher, zu grob, zu materiell. Die Herrschaft und die Macht, das ist nicht dasselbe. Der Osten wird die Welt bestimmen, doch nicht von außen her, sondern von innen. Durch das Wort, durch den Geist. Und sein Buch wird ein wichtiger Zeichenstein auf diesem Wege werden. »Dorion, mein Mädchen, meine Süße, meine Schäferin, siehst du nicht, daß das eine zweite, tiefere Gemeinschaft zwischen uns ist? Dein Vater stirbt fast daran, daß die Römer ihn nicht anders anschauen als ein seltenes Tier, einen Königsfasan oder einen weißen Elefanten. Ich, dein Mann, werde den Goldenen Ring des Zweiten Adels haben. Du, die Ägypterin, von den Römern verachtet, ich, der Jude, von Rom mit Mißtrauen, Scheu und halber Achtung angesehen, wir zusammen werden Rom erobern.«
Dorion hörte zu, sie hörte seine Worte mit dem Ohr und mit dem Herzen, sie sog sie in sich ein. Wie ein Kind hörte sie zu, sie hatte sich die Tränen weggewischt, sie schnupfte noch manchmal ein wenig auf, aber sie glaubte ihm, er war ja so klug, und seine Worte gingen ihr lieblich ein. Ihr Vater hatte sein Leben lang nur gemalt, das war gewiß etwas Großes, aber dieser da hatte sein Volk aufgewiegelt, er hatte Schlachten geschlagen, und dann hatte er selbst den Sieger überzeugt, daß der an ihm hing. Ihr Mann, ihr schöner, starker, kluger Mann, sein Reich geht von Jerusalem bis Rom, die Welt ist Wein für ihn, den er in seine Schale schöpft; alles, was er tut, ist richtig.
Josef streichelt sie, küßt sie. Sie schmeckt seinen Atem, seine Hände, seine Haut, und nachdem er sich mit ihr gemischt hat, ist sie vollends überzeugt. Sie seufzt glücklich, sie klammert sich an ihn, sie zieht sich zusammen, die Beine hoch wie das Kind im Mutterleib, sie schläft ein.
Josef liegt wach. Er hat sie leichter überzeugt, als er erwartet hat. Ihm wird es nicht so leicht. Vorsichtig löst er ihre Arme und ihren Kopf von sich. Sie knurrt ein wenig, aber sie schläft weiter.
Er liegt wach und denkt an sein Buch. Sein Buch steht vor ihm, groß, drohend, eine Last, eine Aufgabe, und dennoch beglückend. Das Wort des Vespasian vom Homer hat ihn getroffen. Er wird nicht der Homer des Vespasian werden, auch nicht des Titus. Er wird sein Volk singen, den großen Krieg seines Volkes.
Wenn wirklich Bitternis und Zerstörung sein wird, dann wird er der Mund dieser Bitternis und Zerstörung sein, aber schon glaubt er nicht mehr an Bitternis und Zerstörung, sondern an Freude und Bestand. Er selber wird den Frieden vermitteln zwischen Rom und Judäa, einen guten Frieden voll Ehre, Vernunft und Glück. Das Wort wird siegen. Das Wort verlangt, daß er jetzt nach Judäa geht. Er sah die schlafende Dorion. Er lächelte, strich ihr sehr zart über die Haut. Er liebte sie, aber er war weit fort von ihr.
Die Unterredung, in der Vespasian dem Titus seinen Entschluß mitteilte, ihn mit der Beendigung des Feldzugs in Judäa zu beauftragen, war barsch und herzlich. Vespasian nahm seinen Sohn um die Schulter, führte ihn auf und ab, sprach vertraulich, ein guter Familienvater, auf ihn ein. Die Vollmachten, die er ihm überließ, waren weit und erstreckten sich auf den ganzen Osten. Außerdem gab er ihm vier Legionen für Judäa mit statt der drei, mit denen er
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