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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Stückchen Glas. Sie lachen, sie lassen ihn passieren, er geht zurück in die Salbenmachergasse, in das Haus seines Sohnes Alexas.

    Die Römer führten vier neue Wälle gegen die Stadt heran. Die Soldaten, die dabei nicht beschäftigt waren, versahen den vorgeschriebenen Lagerdienst, exerzierten, flackten untätig herum, schauten auf die stille, weiße, stinkende Stadt, warteten.
      Die Offiziere, um die zermürbende Langeweile zu vertreiben, veranstalteten Jagden auf die vielen Tiere, die sich, gelockt von dem Aasgeruch, um die Stadt versammelten. Denn es zeigte sich interessantes Getier, wie man es seit vielen Geschlechtern in dieser Gegend nicht mehr gesehen hatte. Vom Libanon stiegen Wölfe nieder, aus dem Jordangebiet kamen Löwen, aus Gilead und Basan Panther. Die Füchse wurden fett, ohne daß sie viel List anwenden mußten, auch den Hyänen, den heulenden Rudeln der Schakale ging es gut. Auf den Kreuzen, die alle Straßen säumten, hockten dick die Raben, auf den Berghöhen saßen lauernd die Geier.
      Die Bogenschützen machten sich manchmal den Spaß, die im Raum der Begräbnisstätten hockenden, verhungernden Juden als Ziele zu verwenden. Andere römische Mannschaften begaben sich einzeln oder in Trupps vor die Mauern, außer Schußweite, doch in Sehweite, zeigten denen auf der Mauer den Überfluß ihrer Ration, fraßen, schlangen, riefen: Hep, Hep, Hierosolyma est perdita.
      Sieben Wochen waren nun vergangen seit Beginn der Belagerung. Die Juden feierten ihr Pfingstfest, ein klägliches Pfingstfest, und nichts änderte sich. Der ganze Monat Juli verging, nichts änderte sich. Die Juden machten Ausfälle gegen die neuen Wälle, ohne Glück. Trotzdem zerrte dieser Feldzug an den Nerven der römischen Legionäre schlimmer als gefährlichere und härtere Feldzüge. Es bemächtigte sich der Belagerer angesichts der stillen und stinkenden Stadt allmählich eine ohnmächtige Wut. Gelang es den Juden, die vier neuen Wälle zu vernichten, dann gab es keine Möglichkeit mehr, andere Belagerungswerke zu bauen; das Holz war am Ende. Es blieb dann nichts übrig, als abzuwarten, bis die da drinnen verhungerten. Grimmig schauten die Soldaten auf den Tempel, der immer gleich, unberührt, weiß und golden dort drüben auf seinem Hügel stand. Sie nannten ihn nicht den Tempel, sie nannten ihn nur voll Scheu, Wut, Ekel: das da oder das Bewußte. Soll man ewig vor dieser weißen, unheimlichen Festung liegen? Das römische Lager war voll von finsterer, verzweifelter Spannung. Keine andre Stadt hätte Bürgerzwist, Hunger, Krieg so lange ausgehalten. Wird man diese Wahnsinnigen, diese verhungerten Lumpen niemals zur Räson bringen können? Es war Essig mit der Rückkehr nach Rom zur Opferung des Oktoberrosses. Von den Generälen der Legionen bis zum letzten Trainsoldaten der bundesgenössischen Kontingente war jeder einzelne randvoll von Zorn auf diesen Gott Jahve, der verhinderte, daß römische Kriegskunst über den Fanatismus jüdischer Barbaren siegte.
    An einem der letzten Julitage forderte Titus den Josef auf, ihn auf einem Rundgang zu begleiten. Die beiden Männer, der Feldherr ohne Abzeichen seiner Würde, Josef ohne Waffen, gingen schweigend durch die große Stille. Gleichmäßig kam der Anruf der Wachen, gleichmäßig gaben sie die Parole: Rom voran. Die Umgebung Jerusalems lag jetzt in einem Umkreis von zwanzig Kilometern öd und kahl, und erfüllt hatte sich das Wort der Schrift: »Der Zorn und Grimm Jahves ist ausgeschüttet über diesen Ort, über Mensch und Vieh und Bäume des Feldes und Früchte des Landes.«
      Sie kamen an eine Schlucht, in welche die aus der Stadt ihre Leichen hinabzuwerfen pflegten. Scharfer Gestank stieg auf, beizend, atemnehmend; die Körper lagen hochgeschichtet in einer ekeln Jauche der Verwesung. Titus blieb stehen. Auch Josef machte gehorsam halt. Titus schaute seinen Begleiter von der Seite an, wie er geduldig in dem scheußlichen Brodem verharrte. Der Prinz hatte erst heute wieder vertrauliche Mitteilung bekommen, Josef treibe Spionage, stehe mit den Belagerten in heimlichem Einverständnis. Titus glaubte kein Wort. Er wußte genau, wie schwierig die Stellung des Josef war, daß sowohl die Juden ihn für einen Verräter hielten wie die römischen Soldaten. Er mochte den Mann gern leiden, hielt ihn für einen ehrlichen Freund. Aber es gab Stunden, wo er ihm ebenso fremd und unheimlich war wie seinen Soldaten. Er spähte hier an dieser Leichenschlucht nach einem Zeichen des

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