Der jüdische Krieg.
in den Heiligen Raum. Niemals seit Bestehen des Tempels hatten Nichtpriester den Fuß hierhergesetzt. Jetzt tappten die Soldaten schwerfällig, verlegen grinsend, durch die kühle, strenge, dämmerige Halle. Der siebenarmige Leuchter stand da, das Räucherfaß, der Tisch mit den zwölf goldenen Broten und den Broten aus Mehl. Niemand kümmerte sich um das Gold, aber auf die duftenden Weizenbrote wies Simon, und: »Nehmt!« befahl er, er sprach besonders barsch, um seine Unsicherheit zu verstecken. Die Soldaten gingen auf den Schaubrottisch zu, behutsam, auf scheuen Sohlen. Dann, mit schnellen Bewegungen, bemächtigten sie sich der Brote. Sie trugen sie ungelenk, als wären die Brote kleine Kinder, mit denen man vorsichtig umgehen muß.
Der Erzpriester Phanias war täppisch hinter den Soldaten hergestapft, unglücklich, krank vor Zweifel, was er beginnen solle. Ängstlich starrte er auf den Vorhang zum Allerheiligsten, der Wohnung Jahves, die nur er betreten durfte am Versöhnungstag. Aber Simon und Johann rührten nicht an den Vorhang, sie kehrten um. Eine ungeheure Last fiel ab von dem Erzpriester Phanias.
Die Soldaten atmeten auf, als sie die verbotenen Räume verließen. Sie waren heil, kein Feuer war vom Himmel niedergefahren. Sie trugen die Brote. Es waren erlesen weiße Brote, aber nur eben Brote, es geschah einem nichts, wenn man sie berührte.
Simon und Johann luden für diesen Abend die Herren ihres Stabs zum Abendmahl, dazu den Sekretär Amram. Sie alle hatten seit Wochen kein Fleisch gegessen, nun schnupperten sie gierig den Geruch des Gebratenen. Auch war viel und edler Wein da, Wein von Eschkol, und es lag Brot auf dem Tisch, reichlich, nicht nur zum Essen, sondern auch, die Männer lachten, um das Fleisch vom Teller zu nehmen. Sie hatten gebadet, sich mit dem Öl des Tempels gesalbt, Haar und Bart schneiden und glätten lassen. Erstaunt sahen sie einander an: in was für stattliche, elegante Herren hatten die Verwilderten sich verwandelt.
»Legen Sie sich bequem hin und essen Sie«, forderte Johann von Gischala auf. »Es ist wohl das letztemal, daß wir es tun können, und wir haben es verdient.« Ihre Soldaten wuschen ihnen die Hände, Simon Bar Giora sagte den Segensspruch und brach das Brot, es war ein reichliches Mahl, und sie gaben auch den Soldaten ab.
Die beiden Führer waren guter, milder Laune. Sie dachten ihrer Heimat Galiläa. »Ich denke an die Johannisbrotbäume deiner Stadt Gerasa, mein Bruder Simon«, sagte Johann. »Es ist eine schöne Stadt.« – »Ich denke an die Feigen und das Öl deiner Stadt Gischala, mein Bruder Johann«, sagte Simon. »Du kamst vom Norden nach Jerusalem, ich vom Süden. Wir hätten uns zusammentun sollen, als wir kamen.« – »Ja«, lächelte Johann, »wir waren Narren. Wir waren die Hähne. Der Knecht trägt sie an den Füßen in den Hof, um sie zu schlachten, und sie, hängend und schaukelnd, hauen einander mit den Schnäbeln.«
»Gib mir das Bruststück, das du auf deinem Teller hast, mein Bruder Johann«, sagte Simon, »und laß mich dir die Keule geben. Sie ist fetter und saftiger. Ich liebe und bewundere dich sehr, mein Bruder Johann.« – »Ich danke dir, mein Bruder Simon«, sagte Johann. »Ich habe nie gewußt, was für ein schöner und stattlicher Mann du bist. Ich sehe es erst jetzt, wo es zu sterben geht.«
Sie tauschten das Fleisch, und sie tauschten den Wein. Johann stimmte das Lied an, das den Simon feierte, wie er die Maschinen und die Artillerie der Römer verbrannte, und Simon stimmte das Lied an, das den Johann rühmte, wie er hinter der ersten Mauer des Forts Antonia eine zweite errichtet hatte. »Wenn wir soviel Glück hätten wie Mut«, lächelte Johann, »die Römer wären längst nicht mehr da.« Sie sangen Sauf- und Hurenlieder und Lieder von der Schönheit des Landes Galiläa. Sie gedachten der Städte Sepphoris und Tiberias und der Stadt Magdala mit ihren achtzig Weberwerkstätten, die die Römer zerstört hatten. »Weithin ist der See rot von Blut in der Nähe von Magdala«, sangen sie, »weithin ist der Strand voll Leichen in der Nähe von Magdala.« Sie schrieben ihre Namen auf ihre Feldbinden mit den Initialen Makkabi, und sie tauschten die Binden aus.
Von außen, in gleichmäßigem Abstand, kamen dumpfe Stöße gegen die Grundmauern. Das war der »Harte Julius«, der berühmte Rammbock der Zehnten Legion. »Laßt ihn stoßen«, lachten die Offiziere, »morgen verbrennen wir ihn.« Sie lagen,
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