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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Dienstes noch aufrecht. Sie waren zu schwach zum Schreien, es war mehr ein sonderbar dünnes Gegurgel und Gestöhn, das nach den Worten Johanns losbrach.
      »Wieviel Opferlämmer sind noch in der Lämmerhalle?« fragte barsch Simon Bar Giora. »Sechs«, antwortete mit mühevoller Festigkeit der Chef des Tempeldienstes. »Sie irren, mein Doktor und Herr«, korrigierte sanft der Sekretär Amram, und ein höfliches, bösartiges Lächeln legte seine Zähne bloß. »Es sind neun.« – »Geben Sie die neun Lämmer heraus«, sagte fast gemütlich Johann von Gischala. »In dieser Stadt ist seit langem Jahve der einzige, der Fleisch ißt. Die Lämmer sollen nicht verbrannt werden. Jahve hat auf seinem Brandopferaltar genug süßen Geruch gehabt. Die für das Heiligtum kämpfen, sollen auch von dem Heiligtum leben. Geben Sie die neun Lämmer heraus, meine Doktoren und Herren.«
      Der Chef des Tempeldienstes schluckte beschwerlich, suchte eine Erwiderung. Allein bevor er sprach, trat Doktor Nittai aus der Reihe vor. Die trockenen, wilden Augen richtete er glühend auf Johann von Gischala. »Überall ist Netz und Falle«, gurgelte er in seinem harten, babylonischen Akzent, »nur im Tempel ist Sicherheit. Wollen Sie jetzt auch im Tempel Ihre Fallen aufstellen? Sie werden zuschanden werden.« – »Das wird sich zeigen, mein Doktor und Herr«, erwiderte gelassen Johann von Gischala. »Vielleicht haben Sie bemerkt, daß das Fort Antonia gefallen ist. Der Krieg ist bis zum Tempel herangekrochen. Der Tempel ist nicht mehr Jahves Wohnung, er ist Jahves Festung.« Aber Doktor Nittai grollte gurgelnd weiter: »Sie wollen den Altar Jahves berauben? Wer Jahve sein Brot und sein Fleisch stiehlt, der stiehlt ganz Israel den Rückhalt.« – »Schweigen Sie«, herrschte Simon ihn finster an. »Der Tempeldienst hat aufgehört.« Der Sekretär Amram aber ging auf Doktor Nittai zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte verträglich, mit gelben Zähnen lächelnd: »Geben Sie sich zufrieden, Herr Kollege. Wie heißt es im Jeremias? ›So spricht Jahve: Schmeißt eure Brandopfer zu euern Speiseopfern und fresset sie; denn nichts habe ich euern Vätern geboten, als ich sie aus Ägypten führte, weder von Brandopfern noch von Speiseopfern.‹»
      Johann von Gischala ließ seine grauen Augen rundum gehen durch die Reihen der Verstörten. Er sah den irren, harten Schädel des Doktor Nittai. Vermittelnd, verbindlich sagte er: »Wenn Sie weiter Dienst tun wollen, meine Herren, singen, Ihre Instrumente spielen, den Segen sprechen, es sei Ihnen unbenommen. Aber was an Brot, Wein, Öl und Fleisch da ist, ist requiriert.«
      Der Erzpriester Phanias kam, man hatte ihn benachrichtigt. Als die Losung des Johann von Gischala ihn zum höchsten Amt in Stadt und Tempel berief, hatte der dumpfe, vierschrötige Mann diese Schickung Gottes mit schwerer Beklemmung angenommen. Er ist sich seiner Einfalt bewußt, er hat nichts gelernt, nicht die Geheimlehre, nicht einmal die einfachsten Ausdeutungen der Heiligen Schrift, er hat nur gelernt, Mörtel zu bereiten, Steine zu schleppen und sie aufeinanderzuschichten. Jetzt hat Jahve ihn mit dem heiligen Ornat bekleidet, dessen acht Teile von den acht schwersten Sünden reinigen. So arm an Verstand und Gelehrsamkeit er ist, es ist Heiligkeit in ihm. Aber diese Heiligkeit ist schwer zu tragen. Da befehlen also diese Soldaten, der Tempeldienst habe aufgehört. Das geht nicht. Aber was soll er tun? Alle schauen auf ihn, wartend, daß er etwas sagen soll. Oh, wenn er seinen Ornat angezogen hätte, dann gäbe ihm Jahve bestimmt die rechten Worte. Jetzt kommt er sich nackt vor, steht herum, hilflos. Endlich tut er den Mund auf. »Sie können«, redet er Johann von Gischala zu, »mit den neun Lämmern Ihre Armee nicht speisen. Wir können damit den Dienst vier heilige Tage weiterführen.« Die Priester finden, was der Erzpriester Phanias gesagt hat, das ist die fromme, billige Vernunft des Volkes, und sogleich springt der Chef des Tempeldienstes ihm bei. »Wenn diese Männer noch leben«, sagt er und weist auf die Priester um ihn herum, »dann ist es nur durch den Willen, Jahves Dienst gemäß der Schrift zu verrichten.«
      Aber Simon Bar Giora sagte nur: »Die Tore des Tempels haben lange genug zugeschaut, wie ihr euch den Bauch von Jahves Opfern gefüllt habt«, und seine Bewaffneten drangen in die Lämmerhalle. Sie nahmen die Lämmer. Sie drangen in die Weinhalle, nahmen den Wein und das Öl. Sie drangen

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