Der jüdische Krieg.
»Aber in vielen Fällen klüger und in manchen sogar vielleicht heroischer«, erwiderte Justus. »Ernstlich«, sagte er, »es ist schade, daß ein so begabter Mensch wie Sie sich zu einem solchen Schädling auswächst.« – »Ich ein Schädling?« entrüstete sich Josef. Es trieb ihm das Blut hoch, daß jemand so klar und nackt die nebelhaften Vorwürfe formulierte, die ihn manchmal in der Nacht peinig ten. »Mein Makkabäerbuch«, sagte er, »hat Rom gezeigt, daß wir Juden noch Juden sind, keine Römer. Ist das schädlich?« – »Der Kaiser zieht jetzt wohl seine Unterschrift zurück von dem Edikt über Cäsarea, was?« fragte Justus mild. »Das Edikt ist noch nicht veröffentlicht«, erwiderte Josef verbissen. »Es gibt Leute«, zitierte er, »die wissen, was Jupiter der Juno ins Ohr geflüstert hat.« – »Ich fürchte«, meinte Justus, »nachdem Rom seine Sache mit den Parthern bereinigt hat, werden Sie auf die Veröffentlichung nicht mehr lange warten müssen.« Sie saßen auf der Tribüne, unten zog Kavallerie vorbei, in Paradeuniform, doch in lockerer, bequemer Haltung, die Menge applaudierte, die Offiziere schauten hochmütig gradaus, nicht rechts, nicht links. »Sie sollten sich selber nichts vormachen wollen«, sagte Justus, beinahe verächtlich. »Ich weiß«, winkte er ab, »Sie haben die klassische Darstellung unserer Freiheitskriege geschrieben, Sie sind der jüdische Titus Livius. Nur, sehen Sie, wenn unsere lebendigen Griechen heute von dem toten Leonidas lesen, dann bleibt das ein harmloses, akademisches Vergnügen. Wenn aber unsere ›Rächer Israels‹ in Jerusalem Ihre Geschichte des Juda Makkabi lesen, dann bekommen sie heiße Augen und schauen nach ihren Waffen. Halten Sie das für wünschenswert?«
Unten ritt jetzt der Mann vorbei mit dem festgenagelten Degen. Alle auf der Tribüne erhoben sich. Frenetisch schrie das Volk ihm zu.
»Cäsarea«, sagte Justus, »ist uns endgültig entrissen. Sie haben das den Römern einigermaßen erleichtert. Wollen Sie ihnen noch viele Vorwände geben, auch Jerusalem zu einer römischen Stadt zu machen?«
»Was kann ein jüdischer Schriftsteller heute tun? Ich will nicht, daß Judäa in Rom aufgeht«, sagte Josef.
»Ein jüdischer Schriftsteller«, erwiderte Justus, »muß vor allem einmal erkannt haben, daß man heute die Welt nicht durch Eisen und Gold verändern kann.«
»Auch Eisen und Gold werden ein Stück Geist, wenn sie für geistige Dinge gebraucht werden«, sagte Josef.
»Ein schöner Satz für Ihre Bücher, Herr Livius, wenn Sie gerade nichts Faktisches vorzubringen haben«, höhnte Justus.
»Was soll Judäa tun, wenn es nicht untergehen will?« fragte Josef zurück. »Die Makkabäer haben gesiegt, weil sie bereit waren, zu sterben für ihre Überzeugung und ihre Erkenntnis.«
»Ich kann keinen Sinn darin erblicken«, erwiderte Justus, »für eine Erkenntnis zu sterben. Für eine Überzeugung zu sterben ist Kriegerart. Der Beruf des Schriftstellers ist, sie an andere weiterzugeben. Ich glaube nicht«, fuhr er fort, »daß der unsichtbare Gott Jerusalems heute so billig ist wie der Gott Ihrer Makkabäer. Ich glaube nicht, daß viel getan ist, wenn jemand für ihn stirbt. Er verlangt mehr. Es ist furchtbar schwer, für diesen unsichtbaren Gott das unsichtbare Haus zu bauen. So einfach jedenfalls, wie Sie es sich gedacht haben, Doktor Josef, ist es bestimmt nicht. Ihr Buch wird vielleicht einiges von römischem Geist nach Judäa, aber sicher nichts von jüdischem Geist nach Rom bringen.«
Den Josef beschäftigte diese Unterredung mit Justus mehr, als er wollte. Vergeblich sagte er sich, aus Justus spreche nur der Neid, weil seine Bücher Erfolg hatten und die des Justus nicht. Was Justus gegen ihn vorgebracht hatte, saß, er konnte es nicht aus seinem Herzen herausbringen. Er las das Makkabäerbuch, er rief alle die großen Gefühle zu Hilfe aus den einsamen Nächten, in denen er das Buch geschrieben hatte. Vergeblich. Er mußte mit diesem Justus fertig werden. So konnte er nicht weiterleben.
Er beschloß, die Sache Cäsarea als Zeichen zu nehmen. Seit einem Jahr jetzt fuchteln sie mit diesem albernen Edikt vor ihm herum. Nur diese Sache Cäsarea ist es, die den Gedanken des Justus recht gibt gegen ihn. Gut. Wenn sie wirklich zuungunsten der Juden entschieden werden sollte, dann unterwirft er sich, dann hat er unrecht, dann ist sein Makkabäerbuch nicht der richtige jüdische Geist, dann ist Justus
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