Der jüdische Krieg.
Schaustellung römischer Macht, den lang vorbereiteten Triumph Roms über den Osten, die stolze Einleitung des neuen Alexanderzugs. Das Nachbarreich im Osten, das Partherreich unter König Vologas, einzige Großmacht der bekannten Welt außer Rom, war des langen Krieges müde, gab Armenien, das strittige Territorium, preis. Der Kaiser selber schloß in festlicher Zeremonie den Janus-Tempel zum Zeichen, daß Friede sei auf Erden. Dann feierte er diesen ersten Sieg über den neu zu erobernden Orient in einem großartigen Schauspiel. Der Armenierkönig Tiridat mußte persönlich vor ihm erscheinen, um aus seiner Hand die Krone als Lehen entgegenzunehmen. Monatelang zog der östliche Herrscher mit riesigem Gefolge, mit Reitern und üppigen Gastgeschenken, Gold und Myrrhen, nach dem Westen, um dem römischen Kaiser zu huldigen. Durch den ganzen Orient verbreiteten sich Legenden von drei Königen aus Morgenland, die sich auf den Weg gemacht hätten, um den aufgehenden Stern im Westen anzubeten. Im übrigen hatte das Finanzministerium in Rom schwere Sorge, wie es den ganzen Aufwand bezahlen sollte, der natürlich auf Kosten der kaiserlichen Kasse ging.
Als endlich der Zug des Königs Tiridat Italien betreten hatte, wurden Senat und Volk von Rom durch eine Proklamation aufgefordert, der Huldigung des Orients vor dem Kaiser beizuwohnen. Auf allen Straßen drängten sich die Neugierigen. Die Mannschaften der kaiserlichen Garde bildeten Spalier. Durch ihre Reihen schritt der östliche König, in der Tracht seines Landes, die Tiara auf dem Kopf, den kurzen Persersäbel im Gürtel: allein die Waffe war durch Festnagelung in der Scheide unschädlich gemacht. So zog er über das Forum, stieg die Estrade hinan, auf der der römische Kaiser thronte, beugte die Stirn zur Erde. Der Kaiser aber nahm ihm die Tiara ab und setzte an ihre Stelle das Diadem. Und dann klirrten die Truppen die Schilde und Lanzen zusammen und riefen in mächtigem Sprechchor, wie sie es tagelang geübt hatten: Gegrüßt sei, Kaiser, Herrscher, Imperator, Gott!
Auf einer Tribüne an der Heiligen Straße, die über das Forum führte, wohnten Ehrengäste aus den Provinzen dem Schauspiel bei, unter ihnen Josef. Voll tiefer Erregung sah er die Demütigung des Tiridat. Der Kampf zwischen dem Osten und dem Westen war uralt. Die Perser hatten seinerzeit den Westen weit zurückgedämmt, dann aber hatte Alexander auf Jahrhunderte den Osten zurückgeworfen. In den letzten Jahrzehnten, vor allem seitdem ein Jahrhundert vorher die Parther eine große römische Armee aufgerieben hatten, schien wieder der Osten im Vordringen. Auf alle Fälle fühlte er sich geistig überlegen, und neue Hoffnung erfüllte die Juden, im Osten werde der Erlöser aufstehen und, wie es die alten Wahrsprüche verkündeten, Jerusalem zur Hauptstadt der Welt machen. Und jetzt mußte Josef sehen, klar, mit eigenen Augen, wie Tiridat, der Bruder des mächtigen Herrschers im Osten, die Stirn in Staub drückte vor Rom. Das Partherreich lag fern, militärische Unternehmungen dorthin waren mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden, noch lebten dort die Enkel derer, die den großen römischen General Crassus und seine Armee mit Mann und Roß geschlagen hatten. Und dennoch schlossen die Parther dieses klägliche Kompromiß. Er hatte es zugegeben, dieser Partherprinz, daß man ihm den Säbel in der Scheide festnagelte. So wenigstens behielt er eine gewisse Autonomie und, wenn auch nur geliehen, sein Diadem. Da der mächtige Parther sich damit begnügte, war es nicht Wahnsinn, wenn man in dem kleinen Judäa glaubte, man könnte es aufnehmen mit der römischen Macht? Judäa war leicht erreichbar, umgeben von romanisierten Provinzen, seit mehr als einem Jahrhundert hatte Rom seine Verwaltung und Militärtechnik dort eingearbeitet. Was die »Rächer Israels« in der Blauen Halle zu Jerusalem zusammenredeten, war heller Irrsinn. Judäa mußte sich einordnen in die Welt wie die andern, Gott war in Italien, die Welt war römisch.
Auf einmal war Justus neben ihm. »König Tiridat macht eine schlechte Figur neben Ihren Makkabäern, Doktor Josef«, sagte er. Josef schaute ihn an, er sah gelbgesichtig aus, skeptisch, ein wenig bitter und sehr viel älter als er selber, trotzdem er es nicht war. Machte er sich lustig über ihn, oder was eigentlich sollten diese Worte? »Ich bin allerdings der Meinung«, sagte er, »daß ein in der Scheide festgenagelter Degen weniger sympathisch ist als ein gezückter.« –
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