Der jüdische Krieg.
stehend, und allein die Tote saß.
Josef hatte seinen Kollegen Justus die ganze Zeit vermieden. Jetzt suchte er ihn auf. Die beiden jungen Herren schlenderten durch die Kolonnaden des Marsfelds. Justus meinte, jetzt nach dem Tode Poppäas würden die Herren Talaß und Genossen mit der Publikation des Edikts wohl nicht mehr lange warten. Josef hob die Schultern. Schweigend gingen sie zwischen den eleganten Bummlern der Kolonnaden. Dann, und zwar genau vor dem schönen Laden des Cajus Barzaarone, hielt Justus an und sagte: »Und wenn jetzt den Juden von Cäsarea ihre Rechte weggeschwindelt werden, wird kein Mensch etwas dabei finden. Die Juden müssen in dieser Sache unrecht haben. Wenn sie Beschwerden vorbringen, die halbwegs gerechtfertigt sind, dann hört sie Rom und schafft Hilfe. Hat man nicht ihre drei Unschuldigen begnadigt? Rom ist großzügig. Rom behandelt Judäa mild, milder als andere Provinzen.«
Josef erblaßte. Hatte dieser Mensch recht? War sein Erfolg, war die Freilassung der drei für die Gesamtpolitik der Juden schädlich, da Rom auf diese Art durch Milde in einer Nebensache die Härte der Hauptentscheidung lügnerisch überzuckern konnte? Blicklos überschaute er die Möbel, die vor dem Magazin des Cajus Barzaarone feil standen.
Er erwiderte nichts, verabschiedete sich bald. Was Justus gesagt hatte, machte ihn krank. Es durfte nicht wahr sein. Er hat seine eitlen Tage, wer hat sie nicht? Aber in der Angelegenheit der drei Unschuldigen hat er aus ehrlichem Herzen heraus gewirkt, er hat nicht um eines persönlichen kleinen Erfolges willen die Sache seines Volkes verschlechtert.
Mit neuem, verbissenem Eifer warf er sich auf sein Werk. Er fastete, kasteite sich, schwor, kein Weib zu berühren, bevor er das Werk vollendet habe. Arbeitete. Schloß die Augen, um die Dinge seines Buches zu schauen, öffnete sie, um die Dinge seines Buches ins rechte Licht zu stellen. Erzählte der Welt die Geschichte von dem wunderbaren Freiheitskrieg seines Volkes. Er litt mit den Märtyrern des Buches, siegte mit ihnen. Er weihte mit Juda dem Makkabäer den Tempel neu. Mild und groß hüllte der Glaube ihn ein. Glauben, Befreiung, Triumph, alle hohen Gefühle, die er vor den alten Büchern gespürt hatte, goß er in sein Werk. Er war ein erwählter Krieger Jahves, solang er schrieb.
Er vergaß Cäsarea.
Er begann sein früheres Leben von neuem, ging in Gesellschaft, suchte sich Frauen, spielte sich auf. Er las sein Makkabäerbuch einem ausgesuchten Kreis junger Literaten vor. Man beglückwünschte ihn. Er schickte es dem Verleger Claudius Regin. Der erklärte sogleich, er übernehme die Veröffentlichung. Aber gleichzeitig und auch im Verlag des Claudius Regin erschien ein Werk des Justus »Über die Idee des Judentums«. Josef empfand es als hinterhältig, daß weder Regin noch Justus ihm vorher davon gesprochen hatten. Er mäkelte an dem Buch des Justus, es sei nüchtern und schwunglos. Aber im Innern erschien ihm, was er selber gemacht hatte, läppischer Bombast vor den neuen, dichten und zwingenden Gedankenreihen des andern. Er verglich das Porträt des Justus, das vornean in seinem Buch gemalt war, mit seinem eigenen. Er las das kleine Werk des Justus ein zweites, ein drittes Mal. Seine eigene Schriftstellern erschien ihm kindlich, hoffnungslos.
Aber siehe, nicht nur das Mädchen Irene, jetzt die Frau des Doktor Licin, und die wohlwollenden Leser vom rechten Tiberufer, auch die Literaten und jungen Snobs in den eleganten Bädern des linken Ufers fanden das Makkabäerbuch gut. Josefs Ruf verbreitete sich, sein jüdisches Kriegsbuch wirkte als eine interessante und fruchtbare Erneuerung des Heldenepos. Junge Literaten machten sich an ihn heran, schon wurde er nachgeahmt, galt als Haupt einer Schule. Die großen Familien baten ihn, aus seinem Buch in ihrem Kreis vorzulesen. Auf dem rechten Tiberufer wurden die Kinder aus seinem Buch unterrichtet. Das Werk des Justus von Tiberias aber kannte niemand, las niemand. Der Verlagsbuchhalter im Haus des Claudius Regin erzählte Josef, vom Buch des Justus seien hundertneunzig, vom Werk des Josef viertausendzweihundert Exemplare abgesetzt, und die Nachfrage aus allen Provinzen, besonders aus dem Orient, steige ständig. Justus selbst schien sich aus Rom zurückgezogen zu haben; jedenfalls traf ihn Josef in diesen Monaten seines literarischen Erfolges nirgends.
Der Winter verging, und das früheste Frühjahr brachte eine eindrucksvolle
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