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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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einen Dritten, jeder viel wissend um den andern, in herz licher Feindschaft. Sie hatten beide etwas erreicht, seitdem sie sich in Rom auseinandergesetzt hatten, sie besaßen Gewalt über Menschen und Schicksale, sie waren älter geworden, ihre Züge härter, aber immer noch sahen sie sich ähnlich, der blaßbraune Josef und der gelbbraune Justus.
      »Sie haben den Propheten Jesaja zitiert«, sagte Josef, »als wir uns unlängst unterhielten.« – »Ja«, sagte Justus. »Jesaja lehrte, daß das kleine Judäa sich nicht einlassen solle in einen Kampf mit seinem weltmächtigen Gegner.« – »Das lehrte er«, sagte Josef, »und am Ende seines Lebens flüchtete er in eine hohle Zeder und wurde zersägt.« – »Besser ein Mann wird zersägt als das ganze Land«, sagte Justus. »Was wollen Sie eigentlich, Doktor Josef? Ich bemühe mich, einen sinnvollen Zusammenhang zwischen Ihren Maßnahmen zu entdecken. Aber entweder bin ich zu dumm, um sie zu verstehen, oder sie haben allesamt nur den einen Zweck: Judäa erklärt Rom den Krieg unter Führung des neuen Makkabäers Josef Ben Matthias.« Josef bezähmte sich. Er kenne ja leider schon von Rom her diese fixe Idee des Justus, daß er ihn für einen Kriegshetzer halte. Das sei er nicht. Er wolle den Krieg nicht. Nur: er scheue ihn auch nicht. Im übrigen halte er, selbst vom Standpunkt des Justus aus gesehen, dessen Methoden für falsch. Ständiges Pochen auf Frieden führe mit der gleichen Notwendigkeit zum Krieg wie ständiges Pochen auf Krieg. Man müsse im Gegenteil der Kriegspartei durch kluges Entgegenkommen alle Vorwände nehmen. »Wir in Tiberias tun das wohl nicht?« fragte Justus. »Nein«, erwiderte Josef, »Sie in Tiberias tun das nicht.« – »Ich höre«, sagte höflich Justus. »Sie in Tiberias«, erklärte Josef, »haben zum Beispiel dieses königliche Palais mit seinen Bildern von Menschen und Tieren, das ein ständiges Ärgernis für die ganze Provinz ist, ein ständiger Anreiz zum Krieg.« Justus schaute ihn an, dann begann er breit zu lächeln. »Sind Sie gekommen, um mir das mitzuteilen?« fragte er. Josef füllte sich mit seinem ganzen Ingrimm gegen die freche Bildnerei. »Ja«, sagte er.
      Da bat ihn Justus, mit ihm zu kommen. Er führte ihn durch den Palast. Es war aber der Palast mit Recht berühmt, das schönste Bauwerk Galiläas. Justus führte ihn durch die Säle, Höfe, Hallen, Gärten. Ja, es war Bildnerei überall, sie war verwachsen mit dem Bau. König Agrippa, sein Vorgänger und sein Vorvorgänger hatten mit Mühe, Geld und Geschmack schöne Dinge aus aller Welt hierher zusammengetragen und zusammengepaßt, sehr alte und berühmte Kunstwerke zum Teil. In einem Hof, der mit bräunlichem Bruchstein belegt war, blieb Justus stehen vor einem kleinen Bildwerk, das, verwitternd, alt, ägyptische Arbeit, einen Zweig darstellte, und auf diesem Zweig einen Vogel. Es war ein sehr strenges Werk, etwas steif sogar, aber trotzdem der kleine Vogel noch ruhte, sah man an ihm schon die selige Leichtigkeit des Flugs, zu dem er die Flügel hob. Justus stand eine kleine Zeit vor dem Bildwerk, hingegeben. Dann, wie erwachend, zärtlich, sagte er: »Soll ich das entfernen?« und, ringsum weisend: »Und das? Und das? Dann ist der ganze Bau sinnlos.« – »Dann reißen Sie den Bau nieder«, sagte Josef, und es war in seiner Stimme ein so maßloser Haß, daß Justus nichts mehr sagte.
      Schon für den nächsten Tag berief Josef den Bandenführer Sapita. Der fragte, ob er etwas ausgerichtet habe bei den Herrschenden in Tiberias. Nein, erwiderte Josef, ihr Herz sei verstockt. Aber sein Machtbereich ende leider vor den Grenzen der Stadt. Sapita zerrte heftig an dem einen Teil seines Bartes. Diesmal sprach er den Satz aus, den er das letztemal nur geschwiegen hatte: »Das Kalb Samarias soll zerpulvert werden.« Wenn die Leute von Tiberias, erwiderte Josef, sich das Ärgernis aus den Augen schaffen sollten, dann werde er Verständnis für diese Leute haben. »Auch ein Asyl?« fragte Sapita. »Vielleicht auch ein Asyl«, sagte Josef.
      Zwiespältig stand Josef, als Sapita gegangen war. Dieser Sapita ist trotz seiner hohen Schulter ein kräftiger Bursche, er wird nicht sehr zart mit den Dingen umgehen. Wenn er und seine Leute in den Palast eindringen, dann werden wohl nicht nur die Statuen entfernt werden. Es ist ein schöner Bau, seine Decken sind Zedernholz und Gold, er ist voll von Kostbarkeiten. Er gehört unbestritten dem König Agrippa und steht

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