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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Israel. »Marin, Marin, unser Herr, unser Herr«, schrien sie leidenschaftlich ergeben, wohin er kam, und sie küßten seine Hände und seinen Mantel.
      Er ritt nach Meron in Obergaliläa. Das war eine unbedeutende Stadt, berühmt nur wegen ihrer Ölbäume, ihrer Universität und ihrer alten Gräber. Hier ruhten die Gesetzeslehrer der Vorzeit, der strenge Großdoktor Schammai und der milde Großdoktor Hillel. Die Leute von Meron galten als besonders heiß im Glauben. Man sagte, aus den Gräbern der Lehrer wachse ihnen tiefere Gottesweisheit zu. Vielleicht war es deshalb, daß Josef nach Meron ging. Er sprach in der alten Synagoge; die Leute hörten ihm still zu, Doktoren und Studenten zumeist, sie waren hier stiller als sonstwo, sie schaukelten die Körper, gespannt lauschend, und atmeten erregt. Und plötzlich, als Josef nach einem großen, angestrengten Satze schwieg, in das Schweigen hinein, gedrängt, gepreßt, raunte einer, ein blasser, ganz junger Mensch: »Dieser ist es.« – »Wer soll ich sein?« fragte zürnend Josef. Und der junge Mensch, mit hündisch ergebenen, etwas törichten Augen, immer von neuem, wiederholte: »Du bist es, ja, du bist es.« Es stellte sich heraus, daß die Leute der kleinen Stadt diesen jungen Menschen für einen Propheten Jahves hielten und daß sie, eine Woche zuvor, die Türen ihrer Häuser die Nacht über hatten offenstehen lassen, weil er geweissagt hatte, in dieser Nacht werde der Erlöser zu ihnen kommen.
      Den Josef, wie er das Gerede hörte, überfröstelte es. Er zürnte laut und schrie den jungen Menschen heftig an. Auch in seinem heimlichsten Innern wies er den Gedanken, er selber könnte es sein, weit und als Lästerung von sich. Immer tiefer aber erfüllte ihn der Glaube an die Göttlichkeit seiner Sendung. Die ihn selber den Erretter nannten, waren Kinder und Narren. Wohl aber war er berufen, das Reich des Erlösers vorzubereiten.
      Die Leute von Meron ließen sich nicht davon abbringen, daß sie den Messias gesehen hätten. Sie ließen die Hufspuren des Pferdes Pfeil mit Kupfer ausgießen, und diese Stätte galt ihnen heiliger als die Gräber der Gesetzeslehrer. Josef zürnte, lachte und schalt über die Narren. Aber er spürte sich selber immer enger verbunden mit dem, der da kommen sollte, und immer sehnsüchtiger, lüstern geradezu, wartete er darauf, ihn mit leiblichen Augen zu sehen.
    Als die Kommission aus Jerusalem eintraf, die ihm das Absetzungsdekret überbrachte, erklärte er lächelnd, es müsse da ein Irrtum sein, und bis er sichern Bescheid aus Jerusalem habe, müsse er, um das Land vor Unruhen zu bewahren, die Herren in Schutzhaft nehmen. Die Jerusalemer fragten ihn, wer ihm Vollmacht gegeben habe, den Krieg mit Rom zu verkünden. Er erwiderte, sein Auftrag stamme von Gott. Die Jerusalemer zitierten das Gesetz: »Wer ein Wort sich erdreistet zu reden in meinem Namen, und ich habe ihm nicht geboten zu reden, selbiger soll sterben.« Immer lächelnd, voll liebenswürdigen Übermuts, zuckte Josef die Achseln, man müsse abwarten, wer im Namen des Herrn rede und wer nicht. Er strahlte, er war seiner selbst und seines Gottes sicher.
      Er vereinigte seine Miliz mit den Mannschaften des Johann von Gischala und marschierte vor Tiberias. Justus übergab ihm die Stadt ohne Verteidigung. Wiederum saßen sie sich gegenüber; aber diesmal war an Stelle des alten Jannai der kraftvolle, gutmütig-schlaue Johann von Gischala. »Gehen Sie ruhig zu Ihrem König Agrippa«, sagte er zu Justus, »Sie sind ein gescheiter Herr, für einen Freiheitskrieg sind Sie zu gescheit. Da muß man den Glauben haben und das Ohr für den innern Ruf.« – »Sie können alles mitnehmen, Doktor Justus«, sagte freundlich Josef, »was dem König an Geld und Geldeswert gehört. Nur die Regierungsakten bitte ich hierzulassen. Sie können unbehindert gehen.« – »Ich habe nichts gegen Sie, Herr Johann«, sagte Justus. »Ihnen glaube ich den innern Ruf. Aber Ihre Sache ist verloren, ganz abgesehen von allen Vernunftgründen, schon weil dieser Mann Ihr Führer ist.« Er schaute Josef nicht an, aber seine Stimme war voll Verachtung. »Unser Doktor Josef«, sagte lächelnd Johann von Gischala, »scheint nicht nach Ihrem Geschmack. Aber er ist ein glänzender Organisator, ein herrlicher Redner, der geborene Führer.« – »Ihr Doktor Josef ist ein Lump«, sagte Justus von Tiberias. Josef erwiderte nichts. Der geschlagene Mann war erbittert und ungerecht, es lohnte nicht, mit ihm zu

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