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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Sakkai. Er sagte: »Verurteilt niemand, ehe er an seinem Ende ist.«
      Josefs alter Vater, der dürre, sanguinische Matthias, war jetzt ebenso verzweifelt, wie er bei der Ernennung seines Sohnes beglückt gewesen war. Er beschwor ihn dringlich, noch bevor das Abberufungsdekret Galiläa erreiche, nach Jerusalem zu kommen, sich zu stellen, sich zu rechtfertigen. Bleibe er in Galiläa, so bedeute das sichern Untergang für alle. Sein Herz sei betrübt zum Tode. Er wolle nicht in die Grube fahren, ohne seinen Sohn Josef nochmals gesehen zu haben.
      Josef, als er diesen Brief erhielt, lächelte. Sein Vater war ein alter Herr, den er sehr liebte, der aber alles viel zu ängstlich und düster nahm. Sein eigenes Herz war voll Zuversicht. Wieder sahen sich die Dinge anders an in Galiläa als in Jerusalem. Galiläa, seit dem Bildersturm in Tiberias, jubelt ihm zu; man weiß im ganzen Land, daß ohne seine Zustimmung diese Tat nie hätte geschehen können. Er hat die Wand niedergerissen, die zwischen ihm und dem Volk von Galiläa war, er gilt dem Land jetzt wirklich als der zweite Juda Makkabi, wie dieser Justus ihn höhnte. Die bewaffneten Verbände hören auf ihn. Nicht er ist von Jerusalem, sondern Jerusalem von ihm abhängig. Es steht bei ihm, das Absetzungsdekret Jerusalems einfach zu zerreißen.
      In dieser Nacht hatte er einen schweren Traum. Auf allen Straßen kamen die Legionen der Römer, er sah sie sich heranwälzen, langsam, unausweichlich, in strenger Ordnung, in Reihen von sechs Mann, viele Tausende, aber wie ein einziges Wesen. Das war der Krieg selber, was da auf ihn zukam, das war die »Technik«, eine ungeheuer wuchtige Maschine von blinder Sicherheit, es war sinnlos, sich dagegen zu wehren. Er sah den Gleichtritt der Legionen, er sah ihn ganz deutlich, aber, das war das Erschreckende, er hörte ihn nicht. Er stöhnte. Es war ein einziger riesiger Fuß in einem Ungeheuern Soldatenstiefel, er hob sich, trat, hob sich, trat, man konnte ihm nicht entgehen, in fünf Minuten, in drei Minuten wird er einen zertreten. Josef saß auf seinem Pferde Pfeil, Sapita, Johann von Gischala, alle schauten auf ihn, finster und fordernd, und warteten, daß er das Schwert aus der Scheide reiße. Er griff nach dem Schwert, aber es ging nicht heraus, es war festgenagelt in der Scheide, er stöhnte, Justus von Tiberias grinste, Sapita riß wild und wütend an der einen Strähne seines zweigeteilten Bartes, der Tischler Chalafta hob seine gewalttätigen Fäuste. Josef riß an dem Schwert, es dauerte eine Ewigkeit, er riß und riß und brachte es nicht heraus. Der Sandalenmacher Akawja plärrte: »Essen, Mann, Sie sollen essen«, und der Fuß in dem riesigen Soldatenstiefel hob sich, trat, kam immer näher.
      Aber als Josef erwachte, war ein strahlend klarer Wintermorgen, und die entsetzliche, wartende Ewigkeit vor dem Soldatenstiefel war weggewischt. Alles war gut, wie es gekommen war. Nicht Jerusalem, Gott selber hat ihn auf diesen Platz gestellt. Gott will den Krieg.
      Mit wilder Inbrunst machte er sich daran, diesen Heiligen Krieg vorzubereiten. Wie hatte es sein können, daß er in Rom mit den Fremden von einem Tische aß, in einem Bett mit ihnen schlief? Jetzt wie die andern ekelte ihn vor der Ausdünstung ihrer Haut, sie verpesteten das Land. Möglich, daß die Verwaltung der Römer gut war, ihre Straßen, ihre Wasserleitungen: aber dieses Heilige Land Judäa wurde aussätzig, wenn man anders darin lebte als jüdisch. Die Besessenheit überkam ihn, aus der er damals sein Buch über die Makkabäer geschrieben hatte. Seine eigene Zukunft, vorausahnend, hatte er niedergeschrieben. Seine Kraft wuchs. Tag und Nacht, unermüdlich, arbeitete er. Straffte die Verwaltung, stapelte Vorräte, disziplinierte die Wehrverbände, verstärkte die Befestigungen. Er zog durch die Städte Galiläas, durch seine großen, stillen Landschaften, Berge und Täler, Flußufer, See- und Meergestade, Reben, Oliven, Maulbeerfeigenbäume. Er zog dahin auf seinem Pferde Pfeil, jung, kraftvoll, eine glühende Heiterkeit und Zuversicht strahlte von ihm aus, vor ihm wehte die Standarte mit den Buchstaben Makkabi, »Wer ist wie du, o Herr?«, und seine Erscheinung, sein Wort und seine Fahne entzündeten die Jugend Galiläas. Viele, wenn sie die Ansprachen Josefs hörten, die glühend zuversichtlichen Worte der Vernichtung gegen Edom, die aus ihm herausbrachen wie Steine und Feuer aus einem Berg, riefen, ein neuer Prophet sei auferstanden in

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