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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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unbestritten unter dem Schutz der Römer. Es war jetzt einige Zeit still im Land, und in Jerusalem hoffen sie, man werde mit Rom zu einer Verständigung kommen. Der Sandalenma cher Akawja in der verräucherten Kneipe von Kapernaum hat den Messias gesehen: und er trug kein Schwert. Gewisse Leute in Rom warten nur darauf, daß die Regierung von Jerusalem etwas unternehme, was als Angriff gedeutet werden könnte. Was er jetzt gesagt hat, kann einen schweren Stein ins Rollen bringen, den viele Hände bisher mit vieler Kraft festgehalten haben.
      In der Nacht darauf wurde das Palais des Königs Agrippa gestürmt. Es war ein weitläufiger Bau, sehr fest gefügt, und es war nicht leicht, ihn dem Erdboden gleichzumachen. Es gelang auch nicht völlig. Alles vollzog sich bei schwachem Mondschein und, merkwürdigerweise, ohne Geschrei. Die vielen geschäftigen Leute schlugen verbissen auf die festen Steine ein, zerrten daran mit den Händen, zertrampelten sie. Zertrampelten auch die Blumenbeete des Gartens. Mit besonderem Ingrimm zertrümmerten sie die Wasserkünste. Geschäftig liefen sie hin und her, sich die kostbaren Teppiche und Gewebe, den Goldbelag der Decken, die erlesenen Tischplatten zu sichern, alles ohne Geschrei. Justus erkannte bald, daß seine Truppen zu schwach waren, um mit Erfolg einzugreifen, und verbot jeden Widerstand. Aber die »Rächer Israels« hatten bereits an hundert Soldaten und griechische Einwohner der Stadt niedergemacht, die, als der Sturm begann, der Plünderung hatten wehren wollen. Der Bau selbst brannte dann noch fast einen ganzen Tag.
      Die Erstürmung des Palastes von Tiberias bewirkte, daß ganz Galiläa erstarrte. In Magdala bedrängten die Behörden den Josef ängstlich um Richtlinien, um Stellungnahme. Josef schwieg verbissen. Dann plötzlich, in großer Eile, noch am Tag nach dem Brand, brach er nach Tiberias auf, um dem Justus das Beileid der Jerusalemer Regierung zu dem großen Unglück auszusprechen, ihm seine Hilfe zur Verfügung zu stellen. Er fand ihn zwischen den Trümmern, stumpf und rastlos umhergehend. Justus hatte keine Truppen von seinem König verlangt, hatte nichts gegen Sapita und seine Leute unternommen. Hatte, der sonst so tätige Mann, die Hände schlaff und verzweifelt fallen lassen. Auch als er jetzt Josef sah, höhnte er nicht, hatte für ihn keine einzige beißende Anmerkung. Er sagte ihm, und seine Stimme kam rauh vor Erregung und Kummer aus dem sehr blassen Gesicht: »Sie wissen gar nicht, was Sie angerichtet haben. Nicht die Einstellung des Tempelopfers war das Schlimme, auch nicht der Angriff auf Cestius, nicht einmal das Edikt von Cäsarea. Das, das, das hier bedeutet endgültig den Krieg.« Er hatte Tränen in den Augen vor Wut und Trauer. »Sie sind blind vor Ehrgeiz«, sagte er zu Josef.
      Einen großen Teil der Beute aus dem Palast stellte Sapita dem Josef zu. Gold, edles Holz, Bruchstücke von Statuen. Josef suchte unwillkürlich, ob er den Zweig mit dem Vogel aus bräunlichem Stein finde, aber er fand ihn nicht; er war wohl aus wertlosem Material gewesen und leicht zu zerstören.

    Die Nachrichten aus Tiberias trafen die Herren in Jerusalem wie ein Hieb ins Mark. Schon hatte man durch Vermittlung des friedfertigen Obersts Paulin ein halbes Versprechen der kaiserlichen Regierung erwirkt. Falls Judäa sich ruhig halte, hatte Rom erklärt, dann werde es sich mit der Auslieferung einiger weniger Führer begnügen, des Simon Bar Giora, des Doktor Eleasar. In Jerusalem war man froh, die Hetzer loszuwerden. Jetzt, durch die sinnlose Tat von Tiberias, war alles zerschlagen.
      Die »Rächer Israels«, schon an die Wand gedrängt, bekamen Luft. Ihr Versammlungsort, die Blaue Halle, wurde zum Mittelpunkt Judäas. Sie setzten durch, daß ihr Doktor Eleasar in die Regierung berufen wurde. Hochfahrend, die Demütigung der andern ganz auskostend, ließ der junge, elegante Herr sich bitten, ehe er die Wahl annahm. Den rebellischen Gouverneur von Galiläa, der so offensichtlich gegen die Weisungen seiner Regierung gehandelt hatte, konnte freilich auch die Blaue Halle nicht im Amt halten. Doktor Jannai hatte dem Großen Rat persönlich Bericht erstattet, die Absetzung und Bestrafung dieses Verbrechers Josef Ben Matthias erbittert verlangt. Die »Rächer Israels« wagten nicht, ihn zu verteidigen; sie enthielten sich der Stimme. Es war unter den Herren der Regierung ein einziger, der ein Wort zugunsten Josefs fand, der alte, milde Großdoktor Jochanan Ben

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