Der Jünger
bringe dir etwas zu essen.”
“Lass mich frei.”
Jay runzelte die Stirn. “Du weißt, das kann ich nicht. Als du die Gelegenheit hattest, wolltest du mich verlassen. Ich habe euch erklärt, wie wichtig es ist, dass alle meine Jünger bei mir bleiben. Habe Geduld.”
“Ich bin nicht dein Jünger!”, schrie James.
Jay legte den Rest seiner Vorräte neben dem Mann ab. Er schüttete etwas Löschkalk in die Toilette und sprach ein kurzes Gebet.
“Verpiss dich”, sagte James.
Jay betrachtete ihn missbilligend. “Du solltest in Gegenwart des Herrn nicht so respektlos reden.”
James starrte ihn ungläubig an. “Was? Glaubst du etwa, du wärst Gott?”
“Nein, nein, natürlich nicht”, entgegnete Jay. “Ich sage das ganz allgemein.”
“Fahr zur Hölle.”
“Schweig!”, rief Jay. “So etwas darfst du nie wieder sagen!”
Damit stürzte er aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Erschöpft und aufgewühlt lehnte er sich einen Augenblick mit der Stirn dagegen.
Ein plötzliches Donnergrollen ließ das Dach erzittern, gefolgt von einem hell zuckenden Blitz. Der stürmische Wind erfüllte das Gebäude mit einem fürchterlichen Lärm. Er fegte mit einem hohen Pfeifton durch zerbrochene Fensterscheiben, raste durch das gesamte Gebäude, bis er auf der anderen Seite wieder verschwand. Das Pfeifen verwandelte sich zu einem Stöhnen, dann zu einem Brüllen.
Jay schaute nervös über die Schulter. Von Angst getrieben, jagte er zu seinem Raum. Es schien fast, als erwarte er, dass sich Dämonen aus den Schatten erheben würden. Durch den tosenden Sturm waren seine Schritte kaum noch zu hören. Etwas flitzte vor ihm über den Boden und verschwand zu seiner Rechten im Dunkel. Er musste sich beherrschen, um nicht laut aufzuschreien. Es gab nichts zu fürchten – nicht einmal den Teufel selbst. Nicht, solange er ein wahrhaftiges, rechtschaffenes Leben führte.
Ben freute sich auf sein erstes freies Wochenende seit über einem Monat. Obwohl er nichts Besonderes vorhatte, genoss er allein schon den Gedanken, dass er heute Abend ins Bett gehen konnte, ohne am nächsten Morgen vom Wecker aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Er hatte lange darüber nachgedacht, ob er eine seiner weiblichen Bekannten anrufen sollte. Ein Glas Wein als Vorspeise, ein gemeinsames Abendessen als Hauptgericht und vielleicht etwas Sex als Dessert. Als Ben aber die Namen in seinem kleinen schwarzen Büchlein durchging, kam er zu keinem Ergebnis. Die Frauen waren okay. Doch irgendwie konnte er sich für keine von ihnen so richtig entscheiden.
Jedes Mal, wenn er sich vorstellte, mit einer Frau im Bett zu liegen, dachte er unwillkürlich an January. Immer wieder erinnerte er sich an ihre weichen Lippen, an den Duft ihres Parfums und daran, wie perfekt ihr Körper zu seinem passte. Er überlegte, ob sie wohl schrie oder ob sie eher den Atem anhielt, wenn sie einen Orgasmus hatte.
Ben verfluchte sich für diese absurden Gedanken. Eigentlich wollte er absolut nichts mit der Reporterin zu tun haben. Aber in seinem Kopf war sie so präsent, dass es keinen Platz für eine andere Frau gab. Also beschloss er, sein Wochenende lieber ganz ohne Gesellschaft zu verbringen. Deshalb saß er nun allein in diesem kleinen schmucklosen Restaurant und aß zu Abend.
Das Steak war genau richtig gebraten, und auch die Pommes waren perfekt – dick geschnitten und ohne zu viel Öl. Er kaute gerade an einem Stück Fleisch und bestrich sich ein ofenwarmes Brötchen mit Butter, als January DeLena das Lokal betrat.
Sie trug ein schwarzes Kleid mit einem Ausschnitt, der fast bis zum Bauchnabel reichte. Der Saum des Rockes bedeckte kaum ihre Schenkel. Ihr Haar fiel offen auf die Schultern, und ihre langen, wohlgeformten Beine wirkten durch die hochhackigen Schuhe noch länger. Ihm wurde bewusst, dass er sie anstarrte, aber er schaffte es einfach nicht, seinen Blick abzuwenden. January sah sich suchend um. Offensichtlich war sie mit jemandem zum Essen verabredet, und Ben konnte diesen glücklichen Mistkerl nur beneiden.
In diesem Moment drehte January sich plötzlich um und ihre Blicke trafen sich. Unglücklicherweise verschluckte er vor Schreck den halb zerkauten Bissen, den er noch im Mund hatte, und Ben musste fürchterlich husten. Nun glitt ihm zu allem Überfluss auch noch das Messer aus den Fingern und landete klirrend auf dem Boden.
Mit seiner Atemnot beschäftigt, bemerkte Ben weder, dass sein Gesicht dunkelrot anlief, noch bemerkte er den
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