Der Jünger
irritierten Gesichtsausdruck von January DeLena.
Mit einem Mal stand sie an seinem Tisch. Er hätte sie gern begrüßt, bekam aber nicht genug Luft, um zu reden. Bevor er wusste, wie ihm geschah, legte sie ihm von hinten die Arme um den Brustkorb und drückte zu. Den sogenannten Heimlich-Handgriff beherrschte sie perfekt. Um seine Demütigung vollkommen zu machen, landete das Stück Steak aus seinem Mund direkt auf den Tisch. Er stöhnte auf, atmete tief durch und genoss das Gefühl, endlich wieder frei atmen zu können.
Gäste von den Nachbartischen, die Zeugen ihres Rettungsmanövers geworden waren, hatten January schnell erkannt und klatschten Beifall. Der Geschäftsführer erschien, äußerst betroffen, dass es einen seiner Kunden so unangenehm erwischt hatte. Er schnippte das Corpus Delicti in eine Serviette, reichte es dem vorbeieilenden Kellner, legte blitzschnell eine neue Decke auf den Tisch und stellte Bens Teller wieder an seinen Platz. Während der Aufräumarbeiten bot er January als Heldin des Abends ein kostenloses Dinner an.
“Ach, das ist nicht nötig, vielen Dank”, erwiderte sie etwas aufgesetzt mit kokettem Augenaufschlag. “Ich bin schon mit jemandem verabredet.”
Der Geschäftsführer bedankte sich noch ein letztes Mal bei ihr und ließ sie dann mit Ben allein. Bevor der irgendetwas sagen konnte, kam das Pärchen vom Nachbartisch angestürzt und bat January um ein Autogramm. Andere Gäste folgten, sodass ein kleiner Auflauf um Ben und January herum entstand. January lächelte Ben entschuldigend an, weil sie ihn beim Essen gestört hatte. Dann fuhr sie fort, ihren Namen auf alles zu kritzeln, was ihr vor die Nase gehalten wurde – von der Serviette bis zur Krawatte eines Kellners.
Ben nickte und erwiderte gequält ihr Lächeln, während er sie insgeheim zur Hölle wünschte. Wenn sie nicht so einen sexy Auftritt aufs Parkett gelegt hätte, dann hätte er sich auch nicht verschluckt. Und wenn er sich nicht verschluckt hätte, hätte sie auch keinen Anlass gehabt, die Heldin zu spielen. Am liebsten hätte er allen erklärt, dass er sich nie in Gefahr befunden und sie lediglich ihre Show abgezogen hatte. Aber dann hätten ihn alle für ein undankbares Arschloch gehalten. Das Letzte, was er wollte, war noch mehr Aufmerksamkeit und die Aussicht auf eine Schlagzeile in den Abendnachrichten.
“Hat das jetzt bald ein Ende?”, murmelte er, als January das letzte Autogramm schrieb.
Sie sah Ben an, merkte, wie genervt er war, und beendete die Signierstunde schnell. “Natürlich”, entgegnete sie und winkte den letzten Gästen, die sich wieder entfernten, hinterher. “Geht es Ihnen wirklich gut?”
Er warf einen erneuten Blick in ihren Ausschnitt, fühlte seinen rasenden Puls und wusste nicht, was er sagen sollte, ohne dass es ihm eine Ohrfeige einbringen würde. “Nun … Ja. Und danke vielmals.”
“Keine Ursache.” Sie blickte auf ihre Uhr, bevor sie sich noch einmal im Lokal umsah.
“Na, wer ist denn der Glückliche?”, erkundigte sich Ben und wünschte sofort, er hätte den Mund gehalten.
Wenn er ihre Verabredung als Glücklichen bezeichnete, hieß das, er beneidete den Mann, und das war nichts, was January DeLena unbedingt wissen sollte.
“Er kommt zu spät”, sagte sie. “Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich so lange zu Ihnen setze?”
“Also … Ja. Ich meine, nein, es macht mir nichts aus.”
Sie setzte sich auf den freien Stuhl an seinem Tisch und zeigte auf seinen Teller. “Das sieht gut aus.” Bevor er etwas sagen konnte, schnappte sie sich eine der Pommes, tunkte sie in eine Lache Ketchup und ließ sie in ihrem Mund verschwinden. “Mmmh, gut. Ich bin am Verhungern.”
Ben runzelte die Stirn. Er teilte sein Essen nicht. Nie. Aber wenn er sie dabei beobachtete, wie sie die Pommes zwischen ihre sinnlichen Lippen schob und mit ihren perfekten Zähnen davon abbiss, fühlte er plötzlich einen Knoten im Magen.
“Wie essen Sie Ihr Steak?”, fragte sie.
“Mit den Zähnen.”
Sie blinzelte leicht überrascht, dann lachte sie.
Tatsache war, dass Ben keinen Witz gemacht hatte, sondern sie lediglich zum Schweigen bringen wollte. Aber wenn sie ihn für so geistreich hielt, dann sollte ihm das durchaus recht sein.
“Nein, im Ernst. Wie mögen Sie es?”
“Medium.”
Sie sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an. “Na so was, ich auch!”
Er seufzte, unterdrückte den Drang, seinen Teller aus ihrer Reichweite zu ziehen, und bot ihr einen Bissen von seinem
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