Der Jünger
unter dem Armaturenbrett betätigte. Eine Wolke von Äther entströmte einem kleinen Schlauch, der im Sitz neben Barts Kopf verborgen war.
Innerhalb von Sekunden verdrehte der Mann die Augen. Als die Ampel auf Grün umschaltete, saß er vornübergesackt auf dem Sitz. Jay überquerte die Kreuzung, wendete und fuhr in Richtung des Viertels, in dem sich das Lagerhaus befand. Noch in derselben Stunde zog Bart Scofield in sein neues Zuhause ein, und Jay beherbergte einen weiteren Jünger.
Er wusste allerdings, dass Scofield, im Gegensatz zu den anderen, die er aufgelesen hatte, schon bald vermisst werden würde. Als er nicht im Büro erschien und seine Mitarbeiter ihn auf dem Handy anriefen, konnte er nicht antworten, da sein Mobiltelefon auf dem Grund des Potomac-River lag.
Bereits nach wenigen Stunden begann die Suche nach Bart Scofield. Eine Vermisstenanzeige am Nachmittag brachte die Polizei auf seine Spur. Dass Bart der beste Freund des Bürgermeisters war, beschleunigte den Eifer der Kriminalpolizisten erheblich.
Doch das Einzige, was sie genau wussten, war, dass er von zu Hause aus ein Taxi genommen hatte. Sie gaben seine Adresse durch und überprüften alle Taxiunternehmen, um herauszufinden, wer ihn an diesem Tag abgeholt hatte. Erst als sie die Firma ausfindig gemacht hatten, die zwar ein Taxi an Scofields Adresse geschickt, den Fahrgast aber nicht mehr vorgefunden hatte, drängte sich den Polizeibeamten die Vermutung auf, dass es sich hier um ein Verbrechen handeln könnte.
Jetzt suchten sie nach einem illegalen Taxi.
Der Fahrer unternahm seine Fahrdienste auf eigene Faust – er fuhr einen Wagen, der ihm selbst gehörte, ohne bei einem Taxiunternehmen angestellt zu sein. Die Polizei nannte sie Räuber-Taxis, da diese Fahrer ihren Kollegen nicht selten die Kunden einfach wegschnappten.
Manchmal arbeiteten diese Räuber allein, indem sie während der Hauptverkehrszeit auf der Straße waren und ihre Dienste anboten. Dann wieder, in ruhigeren Zeiten, schnappten sie sich Fahrgäste von anderen Unternehmen. Sie fingen einfach den Funkruf ab, der an die anderen Fahrer ging. Alles, was sie zu tun hatten, war, schneller an der angegebenen Adresse aufzutauchen, die Fahrt zu übernehmen und das Geld zu kassieren. Wenn dies auch im aktuellen Fall so passiert war, stellte es sich als weit schwieriger dar, herauszufinden, wer Bart Scofield abgeholt hatte. Und sie mussten herausfinden, mit wem er gefahren war, denn nachdem die Anzeige bei der Polizei von D.C. aufgegeben worden war, hatten sich schnell die Medien darauf gestürzt. Bart Scofield war schließlich kein Niemand. Er war der beste Freund und Golf-Kumpan des Bürgermeisters.
January saß am Schreibtisch, als sie die Live-Reportage sah, die Kevin Wojak von Bart Scofields Büro aus machte. Sie unterbrach ihre Arbeit und hörte zu.
“… zuletzt mit ihm gesprochen hat. Zu der Zeit befand er sich in einem Taxi, nur wenige Minuten von seiner Arbeitsstelle entfernt. Doch Bart Scofield kam dort nie an. Das ist nun sechs Stunden her, und es gibt bislang noch kein Lebenszeichen von ihm. Die Polizei vermutet das Schlimmste. Bisher wurde noch keine Lösegeldforderung gestellt, aber …”
January griff nach einem Kuli und Papier und schrieb Scofields Namen auf. Ein Mann vermisst. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass dies etwas mit der Geschichte zu tun hatte, die sie verfolgte, obwohl immer mehr Obdachlose angaben, dass einige von ihnen verschwunden waren, und das bereits seit Wochen. Sie hätte ein Monatsgehalt darauf verwettet, dass keiner von diesen Leuten als vermisst gemeldet worden war. Es passierte äußerst selten, dass sich die Menschen auf der Straße an die Polizei wandten.
Ein weiterer vermisster Mann konnte lediglich ein Zufall sein, aber sie würde es nicht eher annehmen, bis sie mehr darüber erfahren hatte. Sie musste wieder unter die Leute – versuchen, ein paar Namen herauszufinden. Es konnte einen Zusammenhang geben oder auch nicht. Doch ihr Reporterinstinkt sagte ihr, dass es einen gab.
January fingerte immer noch mit ihrem Kuli herum und kritzelte Muster neben Scofields Namen auf das Papier, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. In Gedanken immer noch bei der Entführung, nahm sie abwesend den Hörer in die Hand.
“DeLena.”
“Hallo, ich bin's, Ben.”
January glaubte, ihr Herz würde stehen bleiben.
“Officer, ich schwöre, ich war's nicht”, sagte sie.
Er musste lachen. Die wahre January DeLena war ganz anders, als
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