Der Jünger
Manschetten seines Hemdes sehen konnte.
“Bartholomäus … Was ist geschehen? Was ist los?”
Bart Scofield spürte keinen Schmerz mehr und war vollkommen durchgedreht, als er sich zum Taxifahrer umwandte. Er stand noch unter dem Adrenalinschock seiner Panikattacke. Dann wirbelte Bart einen seiner Arme samt Kette hoch in die Luft und schlug sie Jay um den Hals.
Der Priester brachte gerade noch einen ängstlichen Aufschrei heraus, bevor er zu Boden ging. Instinktiv griff er mit beiden Händen nach der Kette, und nur diese Reaktion bewahrte ihn davor, sich das Genick zu brechen. Er spürte das Knacken eines Fingerknochens, als die Kette sich straffte, doch dieser Schmerz rettete ihm das Leben. Ohne darüber nachzudenken, was passieren konnte, wenn er die Kette losließ, sprang er auf die Füße und stürzte sich sofort mit dem Kopf zuerst auf seinen neuesten Jünger.
Scofield rutschte auf der Urinlache aus, in der er gestanden hatte, und ließ von Jay ab, während er zu Boden fiel. Er landete flach auf dem Rücken. Sein Kopf knickte nach hinten und knallte mit einem schrecklichen Schlag auf den Beton. Danach rührte er sich nicht mehr.
Jay rollte von ihm weg, dann setzte er sich auf.
“Bartholomäus … Bist du verletzt?”
Bart sagte nichts.
Jay stieß gegen seine Schulter. Als der Mann nicht reagierte, kam er etwas näher und fühlte seinen Puls. Das Einzige, was er spürte, war das Zittern seiner eigenen Hand.
“Nein!” Jay stützte sich auf Hände und Knie und versuchte es noch einmal – vergeblich.
Er schob die Hand unter Barts Kopf und tastete nach einer Wunde. Zuerst fand er nichts, dann bemerkte er etwas Merkwürdiges, und er schob die Finger tiefer zwischen die Haare des Mannes bis zur Kopfhaut, dann darunter. Entsetzt zog er die Hand zurück. Seine Finger waren voller Blut und Hirnmasse. Bart Scofields Kopf war zertrümmert.
Jay kroch rückwärts wie eine Krabbe. Das hätte nicht passieren dürfen. Er hockte sich auf seine Fersen, verschränkte die Arme vor der Brust und begann sich vor und zurück zu wiegen. Er stöhnte erst auf, dann stieß er einen lauten Klagelaut aus.
Was hatte das zu bedeuten?
Zürnte Gott ihm?
Hatte der Herr ihm Bartholomäus genommen, weil er etwas Böses getan hatte?
Der dumpfe Schmerz in seinem Hinterkopf, den er schon den ganzen Tag ertragen musste, attackierte ihn jetzt mit voller Wucht. Er lehnte sich nach vorn, bis seine Stirn den Boden berührte. Der Gestank von Urin, Blut und anderen Körperabsonderungen stieg ihm in die Nase. Er öffnete den Mund zum Gebet und begann stattdessen zu schreien.
Er brüllte, bis seine Kehle brannte und er keinen Ton mehr herausbekam – bis er den Schock und seine Wut hinausgeschrien hatte. Erst dann erlaubte er sich, noch einen Blick auf Bartholomäus zu werfen. Jay ließ die Schultern sinken. Es war kein böser Traum gewesen. Es war Realität. Der Mann lebte nicht mehr.
Er schlug die Hände vors Gesicht und spürte die Panik in sich aufsteigen. Was sollte er nun tun? Erst vor Stunden war ihm alles noch so einfach erschienen.
Er ließ die Hände in den Schoß sinken und schloss die Augen. “Herr, du weißt, dass ich das niemals beabsichtigt habe. Du weißt, dass ich den Pfad, den du gegangen bist, niemals verlassen würde. Hilf mir, Gott. Sag mir, was ich tun soll.”
Jay saß dort eine ganze Weile. Schließlich waren es die Schreie der anderen, die ihn wieder zu Besinnung brachten. Mit ausdruckslosem Gesicht zog er einen Schlüssel aus seiner Tasche und löste die Ketten von Bart Scofields Handgelenken. Seine Hände hatten aufgehört zu zittern, als er den Mann bei den Füßen nahm und aus dem Zimmer zog.
Simons Bitten um Gnade nahm er nicht wahr. Matthews ständige Wiederholungen von Namen und Dienstgrad störten ihn heute nicht. Nicht einmal die ungewöhnliche Stille aus Andys und James' Zimmern beunruhigte ihn.
Er war zu dem Schluss gekommen, dass dieser Mann ihm vom Teufel geschickt worden war, um ihn zu testen, deshalb steigerte er sich mehr und mehr in regelrechte Entrüstung hinein. Wie konnte es dieser Bartholomäus wagen, sich als ein Jünger auszugeben? Als wenn er dessen würdig wäre!
Als er am Taxi ankam, war er schweißgebadet. Er öffnete den Kofferraum, hievte Scofields Leiche hinein und schloss den Deckel wieder. Die Schreie und Rufe aus den Räumen hinter ihm erinnerten ihn daran, dass sie den ganzen Tag nichts zu essen und zu trinken bekommen hatten. Er nahm eine große Tüte vom Rücksitz des
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