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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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Restaurant, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Ben war so damit beschäftigt, ihre schwingenden Hüften unter dem winzigen schwarzen Kleid zu bewundern, dass ihm überhaupt nicht auffiel, wie schockiert sie gewesen war.

4. KAPITEL
    E s war mindestens eine Stunde vor Tagesanbruch, als January erwachte. Sie blickte auf die Uhr, stöhnte, drehte das Kissen um, damit die kühle Seite oben lag und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es war zwecklos. Von dem Moment an, als sie die Augen geöffnet hatte, verselbstständigten sich ihre Gedanken. Sie hätte nie gedacht, dass aus einer geplatzten Verabredung der schönste Abend ihres Lebens hätte werden können.
    Benjamin North mochte sie, das wusste sie ganz sicher. Er ahnte es bloß noch nicht. Bedauerlich war nur, dass sie ihre erste außerberufliche Begegnung damit hatte beginnen müssen, ihn von einem Stück Steak in seiner Luftröhre zu befreien. Solche Situationen trieben Männer in die Defensive. Gewöhnlich waren sie gern diejenigen, die den Retter spielten.
    Ein leises Läuten aus der Küche signalisierte, dass sich die Kaffeemaschine eingeschaltet hatte. Sie setzte sich auf die Bettkante, lehnte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Da bemerkte sie einen Riss an der Spitze ihres Nachthemds. Wie die Geschichte ihres Lebens. Scheinbar perfekt, so wie der Nagellack auf ihrem Zeh, doch es gab immer einen kleinen Makel, der irgendwann sichtbar wurde.
    Sie blickte wieder auf die Uhr, dann sah sie aus dem Fenster. Der Himmel war unbewölkt und sie fühlte sich bereits zu wach, um im Bett zu bleiben. Es passierte nicht oft, dass sie Zeit für ihr Training hatte. Vielleicht wäre eine Runde Joggen durch die nähere Umgebung ein guter Start für den Tag und würde ihr dabei helfen, ihre Gedanken etwas zu ordnen.
    Bevor sie es sich anders überlegen konnte, band sie sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen, zog ihre Sportsachen an, schlüpfte in ihre Lieblingslaufschuhe und ging in die Küche, wo der frisch gebrühte Kaffee wartete. Sie trank eine Tasse vor dem Küchenfenster und schätzte das Wetter des dämmernden Tages mit geübtem Blick ein. Dann schnappte sie sich ihre Sonnenbrille, ergriff den Hausschlüssel, und schon war sie aus der Tür.
    Selbst zu dieser frühen Morgenstunde tobte der Verkehr. Sie blieb am Straßenrand stehen und wartete auf eine Gelegenheit, um die Fahrbahn zu überqueren. Als eine Lücke entstand, rannte sie hinüber. Auf der anderen Straßenseite machte sie ein paar Aufwärmübungen. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und stand bereits hoch genug über dem Horizont, um sie zu blenden, als sie sich nach Osten wendete. January setzte die Sonnenbrille auf, klopfte auf ihre Tasche, um zu prüfen, ob der Hausschlüssel noch da war, und joggte los.
    Es war frisch und ein bisschen windig. Der Luftzug spielte mit den winzigen Haarsträhnen um Januarys Schläfen und kühlte sofort den dünnen Schweißfilm, der sich auf ihrer Stirn bildete, während sie lief. Ihre Schritte trafen im gleichen Rhythmus auf das Pflaster, in dem ihr Herz schlug, und sie fühlte sich eins mit der Welt. Sie durchquerte die Nachbarschaft in Richtung des kleinen Parks. Als sie den schmalen Fußweg erreichte, der sich durch die Bäume schlängelte, erhöhte sie das Tempo.
    January war froh, als sie den Verkehr und den Bürgersteig hinter sich gelassen hatte und im Grünen weiterlaufen konnte. Wenn sie die Augen etwas zusammenkniff und sich nur auf die Äste konzentrierte, die den Joggingpfad beschatteten, konnte sie sich fast einbilden, zu Hause bei ihrer Großmutter in Houston, Texas, zu sein. Schon wanderten ihre Gedanken zurück zu einer freundlicheren, einfacheren Zeit mit Ingwerkeksen, die ihre
abuela
gebacken hatte, und zu den Angelausflügen mit ihrem Vater.
    In Gedanken versunken umrundete sie den Pfad zweimal, bis ihr auffiel, wie viel Zeit schon vergangen sein musste. Sie hatte ihre Uhr nicht mitgenommen, wusste aber, dass sie langsam den Heimweg antreten musste. Gerade wollte sie umkehren, als ein Mann nur wenige Zentimeter von ihr entfernt aus dem Gebüsch auftauchte und auf den Weg lief.
    “Vorsi…!”
    Mehr konnte sie nicht mehr sagen, bevor sie zusammenstießen. Ineinander verkeilt stürzten sie zu Boden. January zuckte zusammen, als sie mit dem Ellbogen aufkam, doch ihr Kopf traf auf die Schulter des Mannes, sodass sie sich nicht ernsthaft verletzte. Verlegen rollte sie sich von ihm herunter und sprang auf. Er stand ebenfalls auf und begann,

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